Mueller, Carin
sie gerettet haben, und hoffe, dass sie die anderen Gäste nicht allzu sehr belästigt hat.« Katia bemühte sich, zerknirscht zu klingen, auch wenn sie innerlich vor Ärger bebte. »Ich gehe mit ihr noch eine kleine Runde und nehme sie dann mit aufs Zimmer.«
»Ähem, ich fürchte, da gibt es noch ein Problem«, sagte der Portier. »Sie werden die Nacht vielleicht lieber in einer anderen Suite verbringen.« Er reichte ihr diskret eine neue Schlüsselkarte. »Und wir gehen davon aus, dass Sie die Kosten für die Renovierung tragen, nicht wahr?«
»Ja … natürlich«, presste Katia hervor und nahm die neue Karte an sich.
»Gute Nacht, Madame.«
»Gute Nacht.«
Katia fror ein wenig. Sie war bereits seit über zwei Stunden mit Olga unterwegs. Ziellos streunte sie durch die Stadt, die einmal ihre Heimat gewesen war und ihr jetzt, nach fünfzehn Jahren, merkwürdig fremd vorkam. Es war ein grauer, verschneiter Sonntagvormittag, und langsam merkte sie, wie ihr unbändiger Ärger einer hoffnungslosen inneren Leere Platz machte. Aris war die ganze Nacht über weggeblieben und hatte sie mit dem unfassbaren Chaos alleine gelassen. Olga hatte wirklich ganze Arbeit geleistet: Die Suite war komplett verwüstet. Der Hund hatte in seiner Verzweiflung sämtliche Vorhänge von den Fenstern gerissen und alle Kissen zerfetzt. Die Daunen lagen überall. Außerdem hatte sie zwei Paar Schuhe zerbissen, natürlich Katias. Aris’ Sachen waren unberührt. Und doch konnte sie dem Tier nicht böse sein, Olga war wohl einfach in Panik verfallen, so alleine in einer fremden Umgebung. Katia seufzte tief und sah liebevoll auf ihren Hund, der fröhlich neben ihr hertrabte. Wenn sich Aris nicht bald meldete, würde sie ihre Sachen packen, einen Mietwagen nehmen und mit Olga zurück nach Frankfurt fahren. Dort logierten sie seit gut vier Wochen im Frankfurter Hof, weil ihr Mann »wichtige Geschäfte« in Deutschland tätigte. Von dort aus wollte sie nach London fliegen und Weihnachten notfalls alleine, aber wenigstens zuhause verbringen.
So in Gedanken versunken merkte sie gar nicht, wohin sie eigentlich lief, bis sie plötzlich vor einer vertrauten Ladenfront stand. »Metzgerei Fuchs« stand auf dem Schaufenster, und der Anblick gab Katia einen gehörigen Stich. Es sah alles genauso aus wie vor fünfzehn Jahren. Weihnachten 1994 hatte sie zum letzten Mal mit ihren Eltern verbracht. Da lebte sie schon gut fünf Monate in London, und ihre Affäre mit Aristidis war gerade aufgeflogen. Ihre Eltern waren entsetzt gewesen: »Das gehört sich nicht für ein anständiges Mädchen!«, hatte Papa gewettert, und Mama hatte die ganze Zeit geweint. Seitdem hatte sie keinen Kontakt mehr zu den beiden gehabt. Wie es ihnen wohl ging? Sie war drauf und dran zu klingeln, denn ihre Eltern wohnten offenbar immer noch in der Wohnung über dem Geschäft, als ihr Handy mit einer SMS-Nachricht piepste: »Wo bist Du? Komm sofort zurück! Reisen ab. A.«
1 Wie es dazu kam, erfahren Sie auf www.hugosaffairs.de.
KAPITEL 2
Gutes neues Jahr
G utes neues Jahr!«, rief Antonella, als sie Montagmorgen gegen zehn im Loft von Hugo’s Affairs ankam – schwer bepackt mit Plätzchendosen und Geschenken. Der schwarze Mops Hugo trottete trübselig an der Leine neben ihr her.
»Danke, dir auch«, antwortete Antonellas Assistentin Jenny und lächelte hinter ihrem Monitor hervor. »Was hast du denn vor?«, fragte sie dann, als Antonella ihre diversen Taschen und Tüten auf ihren Schreibtisch wuchtete und den Vierbeiner von der Leine ließ. »Hugo-Schätzchen, komm her«, flötete Jenny, doch der Hund stupste sie nur kurz an und verkrümelte sich sofort auf sein Kissen im verwaisten Büro von Georgia.
»Das sind Kekse von meiner Oma und Geschenke von meiner Familie für Giovanni – wo ist der eigentlich?« Antonella blickte sich fragend um. »Und außerdem noch ein paar Päckchen von Georgia.«
»O wie schön!«, freute sich Jenny. »Von Giovanni habe ich aber auch noch nichts gesehen.«
»Na ja, er wird schon kommen …« Antonella kramte in den Tüten herum und holte zwei Pakete hervor. »Die sind für dich. Das kleine harte ist von Georgia, das große weiche von mir.« Sie reichte ihrer Sekretärin die Geschenke und sah sie erwartungsvoll an.
Jenny öffnete zuerst das Päckchen von Antonella und zog unter Begeisterungsrufen ein pinkfarbenes Cashmere-Ensemble aus Mütze, Schal und Handschuhen hervor. »Wow, das ist aber toll! Vielen, vielen Dank!« Sie warf sich den
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