Mueller hoch Drei
Piet Montag unter den Tisch zu verfrachten, da schnippte sie schon nach der Bedienung. Sie bestellte das Schnitzel Gargantua und dazu von jeder der drei Soßen eine große Portion. Während sie bestellte, versuchte ich mich so zu verhalten, als gehörten wir nicht zusammen, aber das gelang mir nicht. Ich bat, mit meiner Bestellung noch etwas warten zu dürfen.
Innerhalb weniger Minuten stand vor Paula ein Schnitzel, das die Umrisse Frankreichs hatte sowie annähernd dessen Fläche. Der Teller, falls es denn überhaupt einen gab, war darunter nicht zu erkennen. Mir drängte sich die Frage auf, aus was für einem Tier man ein so gewaltiges Stück Fleisch schneiden könnte. Es fielen mir nur wenige Tiere ein, aber ich behielt meine Gedanken für mich, um Paula nicht den Appetit zu verderben.
Sie war nämlich hellauf begeistert von ihrem Schnitzel. Mit der braunen Soße zeichnete sie die Alpen ein; mit der roten markierte sie die großen Städte, während sie mit der beigen die Sandstrände am Mittelmeer andeutete. Als sie das Messer ansetzte, stand ich auf und sang die französische Nationalhymne. Dann bestellte ich bei der Bedienung ein Kinderschnitzel ohne alles. Es kam rasch und war kaum größer als Belgien.
Eine Stunde später waren wir wieder zu Hause, und ziemlich früh am Abend sagten wir uns Gute Nacht. Ich überließ Paula zu ihrem Entzücken das frei gewordene Schlafzimmer meiner Eltern mit dem stufenlos temperierbaren Wasserbett sowie das Elternbadezimmer mit der schneeweißen Wanne.
Piet Montag nahm ich sicherheitshalber zu mir. Bei der Verbindung Hund plus Elternschlafzimmer erschienen mir nämlich die bekannten Slapstickszenen vor dem inneren Auge: tollwütige Fetzereien und Orgien des Durcheinanders. Meinen Vater hätten sie vielleicht zu einer neuen Serie inspiriert, doch ich wollte sie lieber vermeiden. Offenbar rechnete ein Etwas in mir immer noch mit der Rückkehr meiner Eltern, beziehungsweise es hoffte darauf. Tatsächlich hatte ich sogar erwogen, vor dem Zubettgehen gründlich Staub zu saugen. Doch als ich den gelben Zettel auf dem Staubsauger kleben sah, ließ ich es bleiben.
Piet Montag benahm sich übrigens für seine Verhältnisse auffallend still und zurückhaltend. Vermutlich hatte er sich ein wenig überfressen. Immerhin hatte ihm Paula, weil sie die dann doch nicht schaffte, große Teile der Normandie, die Provence und Elsass-Lothringen abgegeben. Und von mir hatte er fast das ganze Belgien bekommen. Als ich das Licht löschte, bekam ich noch einen kleinen Verzweiflungsanfall, aber Piet Montags Schnarchen beruhigte mich. Kurz darauf schlief ich ein.
Wir planen was
A m nächsten Morgen wirkte Paula verändert. Sie hatte sich aus den Beständen meiner Mutter neu eingekleidet, und da meine Mutter eine sehr zierliche Person ist, passten ihr die Sachen ganz gut. Mir, der ich wenig von diesen Dingen verstehe, wäre vielleicht gar nicht aufgefallen, dass sie jetzt anders angezogen war als gestern. Doch was auch ich nicht übersehen konnte, war, dass die Farbe Rosa bei ihrer neuen Auswahl überhaupt nicht mehr vorkam. Ich machte, bevor ich mir auf die Zunge beißen konnte, eine diesbezügliche Bemerkung.
»Ph«, sagte Paula. »Wer trägt denn Rosa außer dummen Puten?« Und dann verlangte sie nach einer scharfen Schere.
Die brachte ich ihr, und während ich unser Frühstück improvisierte, entfernte sie von ein paar Kleidungsstücken die Markenschildchen. »Mit Schildchen sehen die Sachen teuer aus«, sagte sie in mein fragendes Gesicht. »Und ohne Schildchen gut. Deine, Pardon, unsere Mutter hat doch sicher nichts dagegen, oder?«
Ich schüttelte hinter meinem Milchreis den Kopf.
»Danke. Und bevor wir aus dem Haus gehen, ziehst du dir was Seriöseres an, verstanden.«
Ich zupfte an meinem Lieblingssweatshirt und empfand ein unerwartetes und etwas zwiespältiges Gefühl von Geborgenheit. Tatsächlich war mein Lieblingssweatshirt auch meiner Mutter immer ein Dorn im Auge gewesen.
Den Rest unseres ersten Zwei-Drittel-Drillingsfrühstücks vertändelten wir mit der Frage, woher wir Futter für Piet Montag besorgen könnten. Der Hund sah nämlich schon wieder hungrig aus. Ich spendierte ihm versuchsweise eine Götterspeise, die er beinahe zusammen mit der Plastikschale gefressen hätte.
Schließlich aber gab es keinen weiteren Aufschub mehr, und endlich redeten Paula und ich darüber, was wir in unserer Familienangelegenheit unternehmen sollten. Paulas erster Vorschlag war, uns hier
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