Mueller hoch Drei
lang kam es mir vor, als hätten wir unser gesamtes Leben zusammen verbracht.
»Na, dann schalt ihn mal ein!«, sagt Paula endlich in die Stille.
Sie meinte natürlich den PC auf dem Schreibtisch meines Vaters. Ich tat es, immerhin wusste ich aus dem Informatikunterricht in der Schule das Nötigste über Computer.
»Und jetzt suchen wir den Hochschmidt«, sagte Paula, mehr an die Lateindompteuse als an mich gewandt.
Ich kam ganz gut voran. Beim Ausdenken von Passwörtern hatte mein Vater offenbar seine hoch bezahlte Fantasie gezügelt, denn mit meinem und dem vollständigen Namen meiner Mutter, Birgitta mit doppelt-t und a am Ende, gelangte ich in alle Programme.
»Hochschmidt, wie man es spricht. Also mit dt.«
Es gab nur einen einzigen Eintrag. Eine Familie Hochschmidt bot Ferien auf dem Bauernhof in den Bergen an. Ich klickte mich auf die Seite. Sie war für mein Empfinden eher schlicht gestaltet. Man sah einen ziemlich normalen Bauernhof, dahinter ein paar ungenaue Berge. Dazu gab es einen Text, der versicherte, man könne bei Hochschmidts wohnen, essen, trinken und wandern, ohne von den Tieren des Bauernhofes mehr belästigt zu werden, als man das wünsche. Mir erschien die Hochschmidt-Seite wie der bescheidenste und einsamste Ort im ganzen Internet.
Mittlerweile waren Paula und ihre Dompteuse hinter mich getreten. »Das war ja auch zu befürchten«, sagten die beiden wie im Chor. Und auf mein fragendes »Was?«:
»Na, dass Hochschmidt keine Werbung für sich macht. Der Mann ist einfach zu geheim.« Paula kniff ein Auge zu. »Ich sage dir, Hochschmidt ist ein Genie. Der kriegt alles raus, und dazu muss er nicht einmal aus der Wohnung.«
»Und woher kennst du ein solches Genie?«
»Zufall. Der wohnt irgendwo bei uns in der Straße. Ich glaube, in Nummer zwölf. Ich hab ihn vom Sehen gekannt. Die Leute haben komische Sachen über ihn erzählt, aber ich fand ihn nett. Und als Mama abgerauscht war, hab ich ihn auf unserem Friedhof getroffen. Ich hab ihm alles erzählt, und da hat er gesagt: Warte einen Moment. Dann ist er gegangen und mit eurer Adresse und dem Foto von dir wiedergekommen. Der Mann ist der Größte.«
»Dann müssen wir wohl hinfahren und den großen Meister persönlich befragen.« Ich klatschte in die Hände. »Super! Ich steh auf Berlin. Außerdem kann ich bei der Gelegenheit deine Familie kennenlernen.«
Das sollte natürlich ein Scherz sein, aber Paula verstand ihn nicht. »Sag mal, hast du dich bei der Aufteilung von Gehirnmasse abseits gehalten? Ich kann mich doch nicht in unserer Straße sehen lassen. Wenn Dasgupta mich erwischt, verfrachtet er mich nach Indien. Und du kannst froh sein, wenn du nicht mit musst – als Elefantenfutter!«
»Dann suchen wir uns eben einen anderen Detektiv.«
»Kommt nicht in Frage!« Paula schaute noch strenger als die Dompteuse. »Ich will zu Hochschmidt. Wenn er dich im Handumdrehen findet, dann findet er auch unsere Schwester. Ich vertraue ihm. Und sonst keinem.«
Ich versuchte zu übersehen, dass das gegen mich ging. »Okay. Dann fahren wir nach Berlin, du hältst dich im Hintergrund, und ich regle die Sache mit Hochschmidt.« Ich klang wohl, als seien solche Abenteuer für mich der normale Alltag.
Paula und die Puppe sahen mich kritisch und dann einander fragend an. »Wahrscheinlich bleibt uns keine andere Wahl«, sagte Paula endlich. Nach einer längeren Denkpause nickte die Dompteuse. Dann gingen die beiden; zum Packen, wie sie sagten. Ich packte auch ein paar Sachen zusammen und nahm Abschied von meinen Glaselefanten.
Nach Berlin!
W er von Neustadt nach Berlin will, muss dreimal umsteigen, wobei er zweimal Zeit genug hat, den Umsteigebahnhof zu besichtigen, während er beim dritten Mal furchtbar hetzen muss, um den Anschlusszug zu erreichen. Für junge und kräftige Menschen ist das einigermaßen machbar, und auch ich habe es zusammen mit meinen Eltern schon mehrfach geschafft. Allerdings trug dabei mein Vater unsere Koffer, meine Mutter sagte, wo es lang ging, und ich rannte bloß hinterher.
Jetzt aber flatterten mir die Nerven. Es waren nämlich nur noch wenige Minuten bis zum Schnellumsteigen, unser Zug hatte drei Minuten Verspätung, und außerdem musste ich mich um mein Gepäck sowie um Paula und Piet Montag kümmern.
Die beiden waren allerdings die Ruhe selbst. »Mach dir bloß nicht in die Hose«, sagte Paula nur, wenn ich hektisch auf die Uhr schaute. Und Piet Montag schlief seit Neustadt wie ein Steifftier im
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