Mueller hoch Drei
im Haus zu verstecken, das ausgegrabene Geld aufzubrauchen und uns anschließend bei einer Zeitung zu melden, um denen unsere Geschichte für zwei Millionen zu verkaufen.
Ich war schockiert. Das klang, als würde mein, also ihr Vater aus ihr sprechen! So stark war die Macht der Gene? Ich lehnte diesen Vorschlag sofort ab. Mag sein, dass ich übertrieben harmoniesüchtig bin. Aber ich wollte doch wenigstens einen Versuch unternehmen, uns eine neue Familie zu basteln.
»Pass auf!« Ich zählte es an den Fingern ab: »Wir sind so gut wie pleite. Meine, also unsere Eltern sind in der Südsee oder sonst wo, deine Stiefeltern fallen zu fünfzig Prozent aus und sind zu fünfzig Prozent gefährlich. Was bleibt da noch?«
»Das Rote Kreuz? Oder das Tierheim?«
»Unsinn! Uns bleiben noch die Stiefeltern unseres dritten Drillings. Die müssen wir finden. Und denen schmeißen wir uns dann an den Hals. Oder werfen uns ihnen vor die Füße. Egal! Die müssen uns jedenfalls retten. Dich vor deinem Inder und mich vor – na, keine Ahnung.«
»Vielleicht vor dem langsamen Tod durch das Fehlen frischer Unterwäsche?« Mürrisch rührte Paula in ihrem Milchreis.
Sie schien von meinem Plan nur mäßig begeistert zu sein. Womöglich schreckte sie die Vorstellung von einer weiteren und dazu noch weiblichen Ausgabe ihrer selbst. Mit einem trotteligen Bruder muss man ja weder Schönheitswettbewerbe noch solche um den besten Eindruck auf andere Leute austragen. Im Gegenteil, mit mir an der Seite glänzt man nur umso heller. Hingegen könnte eine Drillingsschwester eine gefährliche Konkurrentin sein.
Aber es war auch deutlich erkennbar, wie in Paula die Neugier zu arbeiten begann. Man kann dreizehnjährige Mädchen nicht mit einem Spiegel zusammen in ein Zimmer sperren, ohne dass sich die Entfernung zwischen Mädchen und Spiegel alsbald auf etwa zwanzig Zentimeter reduziert. Und ich spürte, wie die Aussicht auf eine Drillingsschwester Paula nicht mehr ruhig sitzen ließ.
»Na gut«, sagte sie endlich, stand auf und klopfte mit dem Löffel auf den Tisch. »Dann fragen wir Hochschmidt.«
»Wer ist denn, bitte schön, das?«
Paula zielte und warf den Löffel in die Spüle. »Stimmt! Kannst du ja gar nicht wissen. Hochschmidt ist der Privatschnüffler, der für mich rausgekriegt hat, wer du bist und wo du wohnst. Und wenn er das rausgekriegt hat, dann weiß er auch, wo unsere Schwester ist.«
Mir lief etwas über den Rücken. Mit Privatdetektiven hatte ich bei meinem Vorschlag zur Familienzusammenführung nicht gerechnet. Offenbar wurde es jetzt ernst. Passend dazu drückte sich Piet Montag an meine Beine.
»Wo wohnt denn dieser Hochschmidt?« Meine Stimme klang wie zehn, höchstens wie elf.
»Wo alle wohnen.« Paula schaute mich strafend an. »Natürlich im Internet. Los, schmeiß deine Kiste an! Wir schicken ihm eine Mail.«
Dieser Tag entwickelte sich nicht gut. Das Frühstück hatte noch ganz nett begonnen, immerhin erinnerte es ein bisschen an verflossene Familienzeiten. Aber jetzt musste ich meiner Drillingsschwester beichten, dass ich zu den null Komma vier Prozent der männlichen Bevölkerung unter achtzig gehörte, die keinen eigenen Computer besitzt, und überdies zu den null Komma vier Promille der Zwölf- bis Siebzehnjährigen, die sich nicht leidenschaftlich und ausschließlich für Computer interessiert.
»Waaaas?«, sagte Paula.
Ich versuchte ihr meine Vorlieben zu schildern. »Bücher sind doch auch was Schönes. Außerdem lerne ich Zaubern mit meinem Zauberkasten Der kleine Illusionist .« Ich hob einen Finger. »Und ich mag intelligente Gesellschaftsspiele.«
»Das hier ist kein Spiel.« Paula stand auf. »Außerdem hast du keine Gesellschaft. Du hast mich, verstanden. Und entweder zauberst du jetzt einen PC mit Netzanschluss aus der Hosentasche – oder wir müssen ins Internetcafé.«
Das Gute an diesem Ausbruch war, dass ich jetzt sicher sein konnte, es geschafft zu haben: Paula hatte meinen eben erst entwickelten Plan, unseren dritten Drilling zu finden, zu ihrem eigenen gemacht. Und natürlich hatte sie sofort die Führung übernommen. Ich nahm es also mal wieder von der positiven Seite und ging voran in das Zimmer, das meinem Vater bis vor kurzem als Arbeitszimmer gedient hatte. Paula blieb in der Tür stehen und hielt sich am Rahmen fest. »Uff«, sagte sie; mehr nicht.
Über das Arbeitszimmer meines Vaters war vor knapp einem Jahr ein Fotobericht in der Zeitschrift Leute Leute erschienen. Zum
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