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Mueller hoch Drei

Mueller hoch Drei

Titel: Mueller hoch Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Spinnen
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wurden. Ich fühlte mich sofort seekrank.
    Am Ende des Steges angekommen, kletterte Pauline in ein Boot, das nicht aus weißem Kunststoff war wie die anderen im Hafen, sondern ganz aus dunklem Holz. Es sah aus, als sei es einmal sehr schön gewesen, aber leider vor langer Zeit gesunken und kürzlich erst vom Meeresgrund geborgen. Die Scheiben der Kajüte waren blind, die Metallteile hatten Rost angesetzt, und die Reling war verbogen. Überall an Deck lag Werkzeug herum.
    Pauline verschwand in der Kajüte, und sofort rumorte es darin. Auf unserem neuen Beobachtungsposten, der sich zu meiner Erleichterung allmählich wieder beruhigte, konnten wir diesmal zwar nichts erkennen, dafür aber jedes Wort verstehen. Und so hörten wir, dass auch hier, wenngleich mit kleinen Varianten, dieselben Kassenknüller des großen Familientheaters gegeben wurden wie in der Veilchenstraße: Die unwillige Tochter, Der verzweifelte Vater, Die bockige Zicke und Der Tourismusdirektor am Rande des Wahnsinns . Diesmal war es allerdings Pauline, die wütend abrauschte. Dabei schlug sie die Kajütentür zu, als wollte sie den armen Kahn wieder versenken.
    Uns sah sie nicht, jedenfalls nicht ins Gesicht, da wir gerade mit dem Rücken zum Boot standen und uns alle drei wie rasend für ein Dutzend Möwen interessierten, das sich seinerseits für Marseby an der Schlei interessierte. Als der Steg dann wieder so stark schwankte, dass ich um meine Gesundheit fürchtete, drehten wir uns um und sahen ihr hinterher, wie sie, lustig, lustig, zurück in Richtung Veilchenstraße hüpfte.
    »Was bedeutet das?«, sagte ich, als sie außer Sichtweite war. »Hat unsere Schwester Spaß am Zanken? Ist sie zoffsüchtig?«
    Paula und Piet Montag sahen mich mitleidig an. »Ach, du Lämmchen, du. Man sollte meinen, du würdest dich allmählich ein bisschen besser im Leben auskennen.«
    »Tu ich nicht. Und will ich auch gar nicht! Mir reicht’s allmählich. Mir stehen all diese menschlichen Katastrophen bis hier.« Ich machte eine entsprechende Handbewegung. »Warum bloß bleiben die Leute nicht alle brav in ihren Zimmern und machen sich gegenseitig keine Probleme? Warum diese Reisen und Trennungen und der ganze Streit?«
    Darauf sagte Paula zu meinem Erstaunen nichts. Sie nickte nur, nahm meine Hand und zog mich in das Hafenrestaurant, als dessen Besitzerin ich sie im Traum gesehen hatte. »Komm was essen«, sagte sie. »Das hilft.«
    Drinnen im Restaurant war es nicht blau-weiß wie in meinem Traum, sondern eher hölzern-rustikal. Dazu feierte die maritime Dekorationswut von Marseby hier die fröhlichsten Exzesse. Es hingen Netze von der Decke, in denen bestaubte Fische schliefen, es standen Tonnen und Bojen herum, und die Speisekarten hatten die Form von Steuerrädern. Den Kunden meiner Mutter hätte das wahrscheinlich gefallen.
    Ich allerdings lief hier Gefahr, einen melancholischen Anfall zu bekommen. Paula spürte das wohl; daher zog sie mich gleich wieder hinaus auf die Terrasse. Wir setzten uns an die Balustrade, die wie eine Reling aussah.
    »Also, dann hör mal gut zu!« Paula sprach in einem Tonfall, in man kleinen Kindern den Sinn des Lebens erklärt. »Was wir da eben gesehen haben, das war einerseits unsere Schwester und andererseits ein klassischer Zankapfel.«
    »Ein bitte was?«
    Doch da kam die Bedienung, und Paula bestellte durch mehrmaliges Tippen auf verschiedene Punkte der Speisekarte.
    »Ein Zankapfel«, sagte sie, als die Bedienung kopfschüttelnd abgezogen war, »ist etwas, um das sich die Leute streiten. Der Fall hier ist leider sonnenklar. Die Schönewinds leben offensichtlich in Trennung. Erkennbar am verwahrlosten Zustand ihres Vorgartens und daran, dass Vater Schönewind auf einem Boot wohnt. Mir scheint, er repariert es. Vermutlich hat er sich eine kleine Meerjungfrau angelacht und plant mit der eine Weltumseglung.«
    »Woher weißt du das alles? Wir haben doch –«
    Mit einer Handbewegung brachte mich Paula zum Schweigen. »Eindeutige Anzeichen, mein Lieber. Unsere Herzenspauline ist bei ihren Adoptiveltern eine giftige Kratzbürste, ansonsten aber guter Dinge. Klarer Fall von Verzankapfelung.«
    »Das ist nicht wahr.« Was ich meinte, war: Das darf nicht wahr sein.
    Paula winkte ab und fuhr fort: »Ich wette mal, die Katastrophe steckt noch in Phase eins. Die Eltern haben sich vorläufig«, dabei zog sie mit einem spitzen Zeigefinger ein Augenlid herunter, »also nur auf Probe getrennt. Vielleicht weiß die Frau Direktorin noch

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