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Mueller hoch Drei

Mueller hoch Drei

Titel: Mueller hoch Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Spinnen
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nichts von der Meerjungfrau. Unsere Schwester reagiert jedenfalls absolut typisch. Sie zickt! Das macht man so in Phase eins. Davon kriegen die Eltern ein schlechtes Gewissen. Schließlich sind sie ja schuld am hysterischen Zustand ihres armen Kindes.«
    Die Bedienung brachte jetzt ein halbes Dutzend Würstchen, die sich Paula und Piet Montag teilten. Soll ich sagen: geschwisterlich?
    »Und Phase zwei?« Ein mir angebotenes halbes Würstchen lehnte ich entschieden ab. »Was ist Phase zwei?«
    Paula musste erst zu Ende essen. Dann gab sie mir Bescheid. »In Phase zwei wird sich Pauline mal mit dem einen, mal mit dem anderen Elternteil versöhnen, damit die beiden glauben, es ließe sich doch noch etwas machen, um das beschädigte Seelchen der Herzenstochter zu reparieren.«
    Nun wurde etwas gebracht, das laut Bedienung auf den Namen Schnitzel Seemannstrost hörte. Ich konnte mir den Trost gut vorstellen, den dieser gigantische Fleischlappen für Menschen spendete, die tagelang nur von verdorbenem Fisch gelebt hatten. Mich allerdings tröstete nur zu hören, dass Paula und Piet Montag versicherten, den Seemannstrost alleine verdrücken zu wollen.
    »Und Phase drei?« Ich hatte das Gefühl im Bauch, nie wieder etwas essen zu können, geschweige denn zu wollen.
    »Denk selber nach!«, sagte Paula mit vollem Mund. Immerhin legte sie kurz die Gabel beiseite und machte mit der freien Hand die Geste des Geldzählens.
    Ich verstand. In Phase drei beutet das Scheidungskind hemmungslos das schlechte Gewissen der Scheidungseltern aus und bereichert sich an deren Beziehungsstress. »Das darf nicht sein! Davor müssen wir unsere Schwester retten.« Ich klang wie Prinz Eisenherz.
    »Vergiss uns nicht«, sagte Paula durch sehr viel Seemannstrost hindurch. »Wie du siehst, geht hier gerade unsere letzte Hoffnung auf etwas Familienglück flöten.«
    Damit hatte sie recht. Uns hatte ich momentan ganz vergessen.
    »Aber jetzt tu mir eine Liebe«, sagte Paula. »Iss was, mein Junge.« Worauf wie aufs Kommando die Bedienung mit einem verbitterten Gesichtsausdruck eine Portion Milchreis vor mich hinstellte sowie ein Glas, dessen Inhalt ich an der sanft orangeblaugrünen Färbung als Multivitaminsaft erkannte. Zu meinem großen Erstaunen schmeckte mir beides wie eh und je.

Ein Fall von Bestechung
    A llmählich wurde es Zeit für uns, aus dem Hafenrestaurant zu verschwinden, zumal die Bedienung schon ein Gesicht machte wie die Plakate mit den Gesetzen zum Schutze der Jugend, die in Lokalen meistens neben dem Klo hängen. Ich zahlte also notgedrungen die enorme Rechnung aus unserem Pototschnik-Schatz, danach schlenderten wir wieder zum Wasser hinunter. Abend wollte es werden über Marseby. Sterne erschienen am dunklen Himmel, um sich in der Schlei zu spiegeln, was sich die auch still und friedlich gefallen ließ.
    Ich musste gähnen. »Wo pennen wir eigentlich?« Vermutlich ausnahmsweise nicht in einem Fünfsternehotel.
    »Von wegen pennen«, sagte Paula. »Wir gehen in die Offensive.«
    Wir standen übrigens wieder mitten auf dem Steg, an dessen Ende Schönewinds Boot lag. Zum Glück wackelte er diesmal nicht, obwohl gerade eine junge Frau ihn betreten hatte und in unsere Richtung kam. Paula deutete verstohlen mit dem Kinn. »Und wenn stimmt, was ich ahne, dann beginnt unsere Offensive in weniger als einer halben Minute.« Ich war perplex, aber zu müde, um zu protestieren.
    Derweil ging die junge Frau, die mich sehr an eine der besseren Barbie-Nachbauten meines Vaters erinnerte, zierlich stöckelnd an uns vorbei. Paula machte ein Hinterher-Zeichen, und wir folgten ihr. Als sie Schönewinds Boot erreichte, sprach Paula sie von hinten an.
    »Auf ein Wort, Gnädigste!«, sagte sie im bedeutsam flüsternden Tonfall der Hellseherinnen auf dem Jahrmarkt. »Es geht um Ihr Schicksal.« Die junge Frau, die wohl noch nie in ihrem Leben so angesprochen worden war, blieb stehen und drehte sich um. Paula winkte sie mit einem gekrümmten Zeigefinger vom Boot weg ans Ufer, und vermutlich aus schierer Neugier folgte ihr die junge Frau. Piet Montag und ich schlichen über den dunklen Steg hinterher.
    Unter einer Laterne machte Paula halt. Sie legte zwei Finger an ihre Schläfen und kniff die Augen zusammen. »Ich sehe, ich sehe, dass Gnädigste momentan die ehebrecherische Freundin von Herrn Erich Schönewind sind.« Über ihren raunenden Tonfall hätte ich beinahe laut gelacht.
    »Ich muss doch sehr bitten«, sagte die junge Frau.
    »Kannst du,

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