Mueller hoch Drei
segeln, wo der Pfeffer wächst.«
»Wie bitte?« Schönewind fuhr sich mit der Hand über die Stirn und ließ dabei eine schmutzige Spur zurück.
Ich war sehr gespannt, was Paula jetzt tun würde. Aber offenbar war ihr der Schneid abhandengekommen. Sie grüßte noch einmal, was lässig aussehen sollte, es aber nicht tat. Dann gab sie mir ein Zeichen, und wir machten uns schnell davon. Was uns Schönewind noch nachrief, verstanden wir schon gar nicht mehr.
Pauline Zankapfel
D ie Nächte am Wasser sind bekanntlich feucht. Das ist nicht so angenehm, wenn man, wie wir mal wieder, obdachlos und pleite ist. Doch schlimmer noch als die Kälte fraß das Gefühl an uns, dass wir hier in Marseby auf die Verliererstraße geraten waren. Denn niemand von uns, Piet Montag wohl eingeschlossen, glaubte noch daran, dass wir uns den Kapitän Erich Schönewind gerade zum neuen Adoptivvater gemacht hatten. Eher war wohl so etwas wie das Gegenteil der Fall, wie immer dieses Gegenteil aussehen mochte. Weil uns nichts Besseres einfiel, schlenderten wir durch die stille Marsebyer Nacht zurück zur Veilchenstraße.
Zuerst sammelten wir die Dompteuse wieder ein. Die Seebärenzwerge rings um sie herum standen jetzt ordentlich in der Reihe und sahen aus, als warteten sie auf das Kommando, durch brennende Reifen zu springen, aber vielleicht kam mir das in der Dunkelheit auch nur so vor.
»Aha. Ich höre, Pauline ist allein zu Haus.« Paula lobte unsere Begleiterin für ihre Späherarbeit. Anschließend kamen wir wieder unbemerkt in den Garten.
»Geisterstunde«, flüsterte mir Paula zu. »Mit anderen Worten: Zeit für unseren nächsten Auftritt.«
Offenbar war sie, während wir uns zitternd durch die Nacht geschwiegen hatten, zu einem Entschluss gekommen. Auf meine Nachfrage gab sie ihn preis.
Dazu legte sie mir einen Arm um die Schultern. »Ist doch so: Haben wir eigentlich Lust, uns in die Familie Schönewind einzuschleichen?« Sie beantwortete ihre Frage selbst. »Ne, haben wir nicht. Also reißen wir eben unsere Pauline Zankapfel aus ihrem Nest und versuchen zu dritt, etwas Besseres zu finden. Pardon, zu viert natürlich.« Sie tätschelte meine Schulter, um zu zeigen, dass sie mich nicht vergessen hatte.
»Und das schaffen wir?«
»Etwas Besseres als die Schönewinds finden wir überall. Außerdem haben wir den Hund. Den können wir immer noch ans Kino verkaufen.« Sie sah Piet Montag böse an. Offenbar hatte sie ihm seine vornehme Zurückhaltung bei ihrer Bestechungsaktion am Hafen noch nicht verziehen.
Ich war, ehrlich gesagt, nicht so ganz einverstanden. Was hätten wir davon, wenn wir unsere Streunertruppe um ein weiteres Mitglied vergrößerten? Aber einen anderen oder gar einen besseren Vorschlag hatte ich auch nicht. Außerdem wartete Paula einen Einspruch meinerseits gar nicht erst ab. Sie robbte über die Terrasse zu einem Kellerabgang, von dort winkte sie uns zu sich. Piet Montag befahl sie, im Garten zu bleiben und Schmiere zu stehen, mich schubste sie durch eine Tür ins Dunkel. Leise, leise arbeiteten wir uns zuerst ins Parterre und dann in den ersten Stock hinauf, wo wir Paulines Mädchenzimmer vermuteten. Tatsächlich stand ihr Name in bunten Buchstaben halbkreisförmig an die Tür geschrieben. Wir klopften.
»Hau ab!«, kam es von drinnen. »Ich will dich nicht sehen. Du bist an allem schuld. Wenn du nicht –«
Paula öffnete rasch die Tür, zog mich mit ins Zimmer, schloss die Tür wieder, stellte sich vor Paulines Bett und legte ihrer Schwester einen Finger auf den Mund. Falls die noch etwas sagen wollte, blieb es ihr im Halse stecken. Schlagartig nahm sie die Farbe von Kreide an, und ihre Augen wurden so groß, dass die Pupillen sich in dem vielen Weiß drum herum beinahe verliefen.
Ich konnte mir ihren Schock ganz gut vorstellen. Da stand jetzt vor ihr eine kleine Sammlung von Varianten ihrer selbst. Vielleicht fühlte sie sich wie in einem Albtraum, aus dem man gerne aufwachen würde, es aber leider nicht kann.
Paula setzte sich zu ihr aufs Bett. »Musst keine Angst haben.« Sie strich ihrer Schwester übers Haar, als sei die vier und hätte Bauchweh. »Am besten ist, da sagst jetzt nix und hörst der lieben Paula mal ein bisschen zu. Das da«, damit zeigte sie auf mich, der ich immer noch verlegen an der Tür stand, »ist übrigens Paul. Der tut keinem was.«
Und dann erzählte sie Pauline eine professionelle Kurzfassung von dem, was am und nach dem 22. Juli vor vierzehn Jahren mit uns dreien
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