Mueller und die Schweinerei
an der Bertastrasse und hat damals gut mit der Polizei kooperiert.
Aber Joachim Scharpf lässt seinen Mund offen stehen, als er das Rezept durch das Getöse des Dampfabzugs hindurch fertig deklamiert hat. Und weil der Mund offen bleibt, denkt der Müller, da kommt noch etwas, oder. Aber es kommt nichts. Darum will er wissen:
»Sonst noch etwas?«
Mund klappt zu, aber der Müller hat es schon gemerkt, dass noch Wörter aus Scharpf herauskommen wollten.
Und wartet und schaut den kahlköpfigen Freund der Frischprodukte an, als betrachte er ein taufrisches Radieschen. Anders gesagt: etwas bedrohlich.
»Vielleicht war das Gift im Bohneneintopf –«, bricht Scharpf ab.
»Was?«, fragt der Müller nun im Schweisse des Dampfabzugs.
Nach einer Weile von drei Sekunden, die sich dehnt zu gefühlt zwölf, fünfzehn, neunzehn Sekunden der Hochspannung, klappt Joachim Scharpfs Mund wieder auf und sagt: »Ein Anschlag auf Rupert ›Love‹ Cartwright.«
»Was?«, sagt der Müller schon wieder.
»Rupert ›Love‹ Cartwright isst ab und zu hier, wenn er im Land ist, und das kommt in letzter Zeit häufig vor.«
»Echt?«, sagt der Müller, weil mag Musik, und Rupert »Love« Cartwright … wow! Ja, mit dem angesagten »Isaac Hayes von Ohio«, wie man diesen international renommierten Geheimtipp in den USA nennt, würde er schon einen Bohneneintopf essen gehen oder zwei. » RLC «, so nennen ihn seine Fans, füllt in den Staaten Sportstadien. Seine Hits kennt jeder: »Twenty Twenty«, »Who Do You Love« (nicht das bekannte, sondern sein eigenes, noch bekannteres), »That’s What Music Is All About«, »Saturday Night«, »Loneliness Is Ugly«, »If You’d Really Know Me«, »Hunger« und sogar eine Coverversion von »Sex Bomb«, aber das war eher als Scherz gemeint. Da klärt sich Ihr Blick auf, liebe Leserin. Sie wissen: Dieser Mann ist der Hammer. On stage und off stage.
»Aber bitte erzählen Sie niemandem, dass RLC regelmässig in unserem Lokal ist. Ich spreche nicht gerne über meine Gäste. Diskretion –«, sagt das Biowunder zum Müller und lässt das letzte Wort auf seiner Zunge zerschmelzen. Und schaut dem Müller eindringlich in die Augen hinein.
Der Müller wischt die Bedenken mit einer Handbewegung weg. »Amtsgeheimnis. Seien Sie beruhigt, Herr Scharpf. Das erfährt höchstens die Polizei und die Staatsanwaltschaft und der Richter und am Prozess die Besucherinnen und Besucher –«, und er will noch sagen »die ganzen Medien im Gerichtssaal, weil die wild gehen, wenn sie hören, dass eine Celebrity wie RLC regelmässig an der Josefstrasse isst«. Aber er schweigt.
Und da fällt dem Müller schon ein bisschen das Herz in die Hose, weil: Internationale Ermittlung bedeutet Fremdsprachen, und Amerikanisch ist nicht so seine Domäne. Da graut ihm schon vor schwer knisternden Unterwasserkabeln und Transatlantikanrufen zu unmöglichen Tageszeiten mit US -Anwälten, die härter sind als Stahl. Eine falsche Silbe, eine holprige Übersetzung, und du hast lauter Formfehler und Schadenersatzklagen am Hals. Doch der Ermittler kennt keinen Schmerz. Sofort fragt er sich: Wie kommst du direkt an einen internationalen Geheimtipp heran, der in den USA ganze Stadien ausverkauft? Kann man einfach so – das wäre toll! – mit Rupert »Love« Cartwright telefonieren? Befürchtungen schlagen sich als Kondenswasser an Müllers Bewusstsein nieder, und er schwitzt noch mehr. Ist aufwendig, eine internationale Ermittlung: Amtshilfe, Staatsanwaltschaft, Begründungen, Übersetzungsschwierigkeiten, ach.
Aber lässt sich nichts anmerken, sagt: »Danke für die Auskunft, dem gehen wir nach«, wischt sich die nasse Stirn mit der feuchten Hand ab, traut sich nicht, Joachim Scharpf die Hand zum Abschied hinzustrecken, weil alle Haut mit einem halben Millimeter Salzwasserfilm bedeckt, und will gehen, aber Joachim Scharpf hat sein Magenknurren gehört, sagt: »Ich habe Ihnen eine vegetarische Lasagne bereitgestellt.«
Und der Müller, von den Düften in der Küche und der Aussicht, selbst mit dem RLC zu sprechen, überwältigt: »Joachim Scharpf, Sie sind ein Küchengott!«
Aber plötzlich Besinnung und wieder ein strenges Gesicht und klopft sich auf die rechte Hinterbacke, wo das Portemonnaie durch den Hosenstoff an seinem Gesäss klebt. Scharpf nickt auf diese Geste hin, hat offenbar gelernt. Und der Müller Benedikt setzt sich an einen freien Tisch im Hinterhof zu den Outdoorgartenmöbeln, wo er sich eine anzündet, sofort bringt
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