Mueller und die Schweinerei
der Wotankoloss eine Karaffe Wasser, der Müller wartet drei Minuten, und da kommt die Gemüselasagne – gut wie Paradies!
Und der Kopf macht weiter Gedanken. Immer weiter, immer mehr, und kreisen systematisch um das Problem: das Gift im Bohneneintopf, wo Bauer Heini Angst den frei laufenden Schweinen servierte.
Die Tierart ist vielleicht ein Symbol? Schweine! Aufgeladenes Wort? Politische Bedeutung? Religiöse? »Schweine« … Islam? Schweinehasser? Politisch? Beschimpfung von Polizei mit Tiernamen? Oder Restauranthasser? Kommerzfeind? Gentrifizierungsgegner? Lifestyle-Misanthrop? Opposition gegen Tierfresser? Fanatische Veganer? Gourmettempelverächter? Antifa? Extremismus? Rechts oder links?
Da kann doch das Schwein nichts dafür. Seit neuntausend Jahren lebt es in Gemeinschaft mit dem Menschen, ist während der Jungsteinzeit aus dem Wildschwein herausgewachsen und mit diesem sogar noch paarungsfähig. Gibt verschiedene Rassen, alphabetisch vom Amerikanischen Yorkshire-Schwein über das Husumer Protestschwein bis zum Waldweideschwein, ganz viele, und haben unterschiedlich zum Beispiel Fleischleistung, Fettgehalt, Wurfgrösse, Gestalt. Ein interessantes Tier. Nützlich in der Gerichtsmedizin, weil Stich- und Schussverletzungen sich an frisch geschlachteten Schweinen ähnlich verhalten wie am Menschen und deshalb am Schwein nachgestellt werden. Und last, but not least: macht gute Schnitzel. Aber à propos »Schwein«, jetzt kurzes Interludium: Respekt allen Religionen und Kulturkreisen! Das Schwein ist wertvoll und kulinarisch. Wir wollen es ehren, denn es hilft uns schon lange gegen Hunger und Nacktheit. Wir essen es, und mit seiner Haut machen wir uns Kleider seit fast Anbeginn von Menschheitsgeschichte. Ein Paarhufer, der nicht überall rein und wohlgelitten ist. Respekt auch denen, die das Schwein missachten. Also essen wir das Schnitzel selbst.
Und die Lasagne wandert allmählich gemächlich in dem Müller seinen Mund. Er kaut genüsslich und spült nach mit einem Primitivo di Manduria, guter Wein aus Apulien. Im Magen breitet sich ein wohliges Gefühl aus. Und der Müller sitzt auch schon viel breiter da und denkt vor innerer Wärme und äusserer Hitze noch langsamer. Das macht nichts, denn in dieser Phase der Ermittlungen ist nicht in erster Linie Schnelligkeit prioritär, weil noch wenig konkrete Anhaltspunkte, sondern freies Schweifen vom geistigen Auge zwecks Erstellung des Profils vom Übeltäter und von seiner Motivkette, die ihn ins Verderben führen wird. Weil das Verbrechen lohnt sich nicht. Wie wir immer wieder feststellen dürfen, und darüber sind wir froh. Die Motivkette löst du von hinten her auf wie einen Wollpullover, und irgendwann bist du an der Quelle. Dem Müller seine Gedanken schweifen durch die Wirklichkeit. Der Dampf im Bild, den wir vor uns sehen, im Hinterhof vom Restaurant Sumatra an der Josefstrasse, stammt nicht von den Funken, die sein Denken schlägt, sondern von der Lasagne, die auf dem Teller immer kleiner wird.
Unbestritten ist aber, dass der Müller wirklich heftig nachdenkt und ist sogar inspiriert vom Essen, und zwar in Form dieser Kettenreaktion:
1. Lasagne = italienisches Essen.
2. Die italienische Sprache ist schön.
3. Bohne (in vergifteter Form in Eintopf Tatwerkzeug gegen Schweine) heisst auf Italienisch »fava«.
4. Giuseppe Fava ist sizilianischer Autor beziehungsweise war, weil von Mafia ermordet.
5. Deshalb Fragen: Ist Mafia im Spiel? Was könnte die Mafia gegen biologischen Superkoch Joachim Scharpf und Restaurant Sumatra haben?
Aber Müller Benedikt verwirft diese Hypothese sofort wieder, doch das musste gesagt sein: Manchmal gebiert die unsinnigste Idee Toperfolg, vor allem wenn ein Topshot daran arbeitet. Du musst spintisieren – und plötzlich kann es in den Akten hell werden. Aber Mafia-Hypothese nur so Bauchgefühl, nichts Erhärtetes, und das müsste es schon sein, sonst lacht dich schon die Bürohilfe des Staatsanwaltssubstituts aus. Darum Gedanken wieder zurück zu Safranliebhaber Michael Hauser, Bertastrasse, Musikjournalist. Müsste man besuchen gehen, weil das schadet nicht.
Vorher aber Mund abwischen, zahlen, denn das ist ein heiliges Müllerprinzip: Wenn du nämlich von Wirten etwas gratis nimmst, hast du ein legales Problem. Aber auch ein polizeitechnisches: Weil plötzlich bist du mal auf den Inhalt ihrer Kühltruhe angesetzt und dann befangen, wenn dir der Schimmelpilz oder die geschnetzelten gefrorenen Ratten im
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