Mueller und die Schweinerei
volles Glas. Schaut in es hinein, als ginge ihn der Rest der Welt nichts an. Flüstert etwas vor sich hin.
»Trink aus, Blacky. Der Laden ist geschlossen«, sagt Bucher Manfred. So geschieht’s, Blacky zuerst hinaus, dann Barmettler und Moser, Meierhans zwischen ihnen, dann Müller und Bucher. Ab geht’s. Polizei sperrt Bar zu, nimmt Schlüssel mit.
»Sie kriegen dafür eine Quittung«, sagt Barmettler zum Wirt. Stellt ihn neben das Zivilfahrzeug, Moser, drei Schritte zurück, fixiert Meierhans, Hand an der Hüfte.
Der Müller unterdessen an der frischen Luft, Atem holen, sich konzentrieren: bewusst atmen, tief durch die Nase ein, laut aus dem Mund aus, als möchte er den Baum dort wegblasen, Atemtechnik, Tipp von Borowski. Den Schweiss verdunsten lassen, Puls senken, den weggeatmeten Baum anschauen, Kastanienbaumlaub schon gelb, obwohl erst August, aber Sommerhitze bei null Niederschlägen schlecht für Wurzelwerk. Oder Parasitenbefall? So schweifen dem Müller die Gedanken mal hierhin, mal dorthin, immer ein Stückchen weiter aus der akuten Situation hinaus. Das Denken an Zittern-und-Schwitzen-und-Augen-Verdrehen-und-Stottern blendet sich aus und nimmt ab, wird schwächer, sollte sich ausblenden und allmählich … aber wir wissen, und Bucher Manfred weiss es auch: Der Müller ist noch nicht wieder voll einsatzfähig. Er ist noch nicht gesund. Kann noch nicht wieder hundertpro Polizeidienst. Aktuelle Festnahme war aussagekräftiger als ein abgestempeltes Arztzeugnis.
Und sie setzen den Wirt ins Auto. Rücksitz, Moser steigt sofort neben ihm ein, Barmettler öffnet die Fahrertür.
Und Bucher Manfred sagt zum Müller: »Willst du nach Hause?«
Und der Müller nur: »Ja.«
»Sollen wir dich fahren?«
»Es geht schon, ich gehe zu Fuss.« Und dann sagt er noch: »Die beiden Männer, mit denen Meierhans eben vor der Bar gestritten hat, die beiden, die abgehauen sind, bevor ich euch rufen konnte, sie haben von einem Auftrag gesprochen, und sie wollten irgendwelches Geld zurück.« Dann sagt er noch, als Antwort auf Manfreds Nachhausefahrangebot: »Danke!« Und er meint es wirklich, weil man muss nicht denken, dass die Polizei ungehobelte Raubeine sind. Also manchmal einsatzbedingt schon. Wenn du den ganzen Tag mit Hooligans, Beutelschneidern, Scheckbetrügern, Gewalttätern, Falschparkierern, Lebensmittelverbrechern zu tun hast, die meistens nicht gerade freundlich sind zu dir oder dich nach Strich und Faden anlügen wollen, kann es dir manchmal schon etwas viel werden. Aber du musst dich natürlich im Griff behalten, sonst kommen wir nirgends hin. Und manchmal sind die Polizisten – wie gerade gesehen – sehr herzlich miteinander, und nicht nur korpsintern gegenseitig, weil die Festnahme vom Wirt Paul Meierhans, ich meine, das ging doch alles ganz flott und korrekt und ohne ein einziges böses Wort gegen den Tatverdächtigen. Da merkst du die Professionalität.
Aber natürlich: Ist nicht so angenehm, was dem Wirt Meierhans bevorsteht, weil wer wird schon gerne von der Polizei befragt, wenn er etwas auf dem Gewissen ausgefressen hat? Da werden manch einem die Knie weich, weil die Polizei hat ja die Technik. Ich sage nicht »freestyle« im Keller von Polizeihaus, was heisst: »Telefonbuch über den Kopf, weil das keine Spuren hinterlässt«. Das ist illegal und gegen Strassburg und »human rights«, das wollen wir nicht propagieren. Sondern ich sage nur: psychologische Schulung, Fragetechnik, Verhörtaktik, allgemeine Ermittlungsstrategie. Das ist alles wissenschaftlich ermittelt, da haben international Generationen von Kriminologen und Psychologen daran gearbeitet. Da hast du als einzelner Übeltäter, der zwar mit allen Wassern gewaschen sein mag, nicht den leisesten Hauch einer Chance. Weil sie lenken dich zum Beispiel ab mit scheinbar harmlosen Fragen über den Vornamen deines Grossvaters und das Material der Einkaufstasche deiner Nachbarin – und plötzlich bist du mittels DNS -Beweisstück und Paradoxalschraube mitten im Netz der Spinne Gerechtigkeit, hast dich in Widersprüche verwickelt oder total darin verstrickt. Und dann haben sie dich.
Dann heisst es: Geschworenengericht!
Und das will keiner freiwillig.
Es droht Pöschwies Regensdorf, Strafvollzugsanstalt, wo du dann Handarbeiten machst und viele Schimpfwörter in Fremdsprachen lernst und die schöne Riedlandschaft und die Lägern gar nicht sehen kannst, nicht nur wegen dem Nebel, der aus den Sümpfen aufwabert, sondern wegen der Mauer drum
Weitere Kostenlose Bücher