Mueller und die Schweinerei
sind unverkennbar. Aber der Müller kann jetzt nicht telefonieren und Verstärkung rufen. Sie sind wenige Meter von ihm entfernt, auf der anderen Seite dieser Quartierstrasse. Er ist unbewaffnet. Riskierst du besser nichts. Kannst nicht einmal zusehen, sonst sähen sie ihn da kauern, zwischen dem Stromkasten und seinem Auto. Er muss abwarten. Hört ein Klatschen. Eine Ohrfeige? Dann Schritte, die sich schnell entfernen. Wartet einen Moment. Um die Ecke zündet ein Automotor. Traut sich dann hervorzuspähen. Meierhans’ Hawaiihemd verschwindet gerade in der Tür. Von den beiden anderen nichts mehr zu sehen, sind weg.
»Zugriff« heisst das Gebot der Stunde. Ist ein schrittweiser Vorgang und geht so: Der Müller Mobiltelefon, ruft die Einsatzzentrale an: »Hier ist Müller Benedikt, ich brauche Verstärkung, zwei Mann an die ****strasse, Festnahme in einer Bar. Ist Bucher Manfred schon wieder da?«
»Nein, er ist noch draussen. Aber Verstärkung ist in wenigen Minuten bei dir.«
Müller dankt und behält den Eingang der Bar im Auge. Er hat genug gehört, die Verdachtsmomente reichen. Barmettler und Moser treffen wirklich innerhalb von drei Minuten ein. Im Zivilfahrzeug, das sie taktisch klug seitlich vor der Bar platzieren. Auto und Blackys Chopper bilden eine Gasse. Bleibt nur ein Fluchtweg offen. Kurze Einsatzbesprechung: Details zur Örtlichkeit, Einzelheiten zu den darin vermutlich sich aufhaltenden Personen, Beschreibung der Zielperson. »Scheint nicht gefährlich«, sagt der Müller. Sagt »scheint« ganz bewusst, weil die Polizei immer mit allem Unfreundlichen rechnet. Rechnen muss.
Und Barmettler und Moser, zwei Junge, beide noch keine zehn Jahre im Dienst und körperlich voll fit, lockern die Waffe am Gürtel, Moser nimmt jetzt den Mehrzweckstock ab, lässt ihn halb unsichtbar hinter sich baumeln. Und mit dem Müller zu dritt entschlossen hinein in die Höhle. Der Wirt mit dem fast dylanartigen Wuschelkopf verteilt gerade wieder mit seinem schmutzigen Lappen halb eingetrocknete Biertropfen auf dem Tresen zu einer neuen unschönen Anordnung und macht sperrangelgrosse Augen, wie da plötzlich der Müller und drei Polizisten, ja, sind jetzt sogar drei, weil Bucher Manfred ist auch noch dazugekommen, in seinem Laden stehen.
Doch der Müller, quasi Déjà-vu, fängt an zu zittern, trockener Mund und Schweiss an den Händen und läuft auch kalt den Rücken herab, weil Müllerstrasse und Waffe und Schatten und Schussabgabe und Verwirrung und Trauma und jetzt ganz ähnliche Situation, also eigentlich überhaupt nicht äusserlich ähnlich, weil andere Strasse, andere Tageszeit, anderes Zielobjekt, anderer Bewaffnungsstatus, nicht allein im Einsatz, aber psychisch schon vergleichbar, weil Festnahme immer Anspannung und Stress, auch für Polizei, auch nach neunzehn Jahren Polizei. Da gibt es keine, darf es keine Routine geben. Denn Routine ist gefährlich, weil zu locker und wenig konzentriert, Details übersehen, Bruchteil zu langsam, zu unaufmerksam, und plötzlich hat der Polizeimann ein Messer mitten im Bauch in den Gedärmen. Das ist eine tiefe Urangst des Menschen, seit er noch Mammuts jagte: Messer im Bauch, Flasche über den Kopf, gewissermassen anthropologisch begründet, da kannst du nichts dagegen machen, das ist stärker als du. Kannst du im Dienst schon einmal das Zittern bekommen, das ist keine Schande, auch wenn du noch so hartgesotten bist und Hunderte von Festnahmen und Zugriffen hinter dir hast. Unter was weiss ich teils wie sehr, sehr erschwerten Bedingungen. Und der Müller ist auch nur ein Mensch.
Aber zum Glück erkennt Bucher Manfred das Müllerproblem sofort und sagt den entscheidenden Satz: »Paul Meierhans, Sie sind festgenommen.«
Und der Wuschelkopf, noch grössere Augen macht er.
Und Barmettler: »Umdrehen zur Wand, Hände in den Nacken, Beine auseinander.«
Widerstandslos.
Und durchsucht ihn genau à l’américaine, weil Berufsgruppe »Wirt« gilt generell als heikel: abgesägte Schrotflinte, Eispickel, Faustfeuerwaffe, Nunchaku, Baseballschläger, Klappmesser geschliffen und unter dem Tresen bereit. Da weiss die Polizei unzählige Geschichten, die sie alle live miterlebt hat. Aber Meierhans nichts Krummes dergleichen, überrascht und -rumpelt. Die stählerne Acht schnappt um seine Handgelenke ein, schon auf seinem Rücken.
Okay.
Ist noch wer in der Bar? Zu früh für Hochbetrieb, der Müller sieht nur Blacky. Er sitzt auf einem Hocker am Ende des Tresens. Vor sich ein halb
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