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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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über diese Sitzung sagen wir nichts. Herr Borowski will es so, und das ist sein Recht beziehungsweise seine Pflicht als Arzt, seinen Patienten zu schützen. Nur so viel: Heute geht es weniger um Angst als um Erschöpfung.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Müller«, sagt Andreas Borowski im halb abgedunkelten Sprechzimmer seiner psychologischen Praxis in der Nähe vom Rigiplatz, »die Symptome, die Sie mir schildern, sind absolut normal bei posttraumatischen Störungen. Das Verarbeiten solcher Vorfälle braucht Zeit, viel Zeit.«
    Müller sitzt jetzt quasi auf der anderen Tischseite des Verhörraums 419. Aber natürlich andere Stimmung, anderes Ziel, andere Agenda.
    »Ich bin oft sehr müde, und ich schlafe schlecht. Ich habe tausend Fragen im Kopf, und wenn ich eine beantworte, entstehen zwei neue. Ich möchte alles ganz anders machen, aber mir fehlt die Kraft.«
    Und ihm ist fast zum Heulen zumute: »Ich kann mich oft fast gar nicht konzentrieren.«
    Dieses Energieproblem macht ihn wirklich fertig. Borowski sagt: »Sie fühlen sich schuldig, weil Sie im Dienst einen Mann erschossen haben. Sie haben Schuldgefühle. Das ist normal. Diese Schuldgefühle stellen Ihnen ein gutes Zeugnis aus: Es widerspricht Ihrer Ethik, jemanden zu erschiessen. Das Gericht hat Sie freigesprochen, aber Sie fühlen sich schuldig.«
    »Ja«, sagt der Müller. Und seine Hand sucht in der Hosentasche und findet die kleine Pappschachtel und das Feuerzeug und holt es heraus. Aber das ist ja eine Praxis und deshalb darf er natürlich nicht, also steckt er das Rauchzeug wieder weg. Doch Andreas Borowski greift in eine Schublade hinter sich, holt seine Utensilien hervor, nickt ihm zu, geht zum Fenster und öffnet es.
    Und dann rauchen sie gemeinsam ohne ein weiteres Wort, bis die fünfzig Minuten vorbei sind.
    Ansonsten bringt dieser Tag nichts Sachdienliches in Erfahrung. Nur so viel: Die Polizei Zürich besteht natürlich nicht nur aus dem Müller Benedikt. Verschiedentlich habe ich das schon angedeutet. Viele Männer und Frauen arbeiten unter Diensteid und Gesetz dem Verbrechen entgegen. Der Müller muss das zum Glück nicht alleine tun. Die anderen arbeiten auch nicht auf Kostenstelle Krankheit, sondern auf Kostenstelle »0800 Normalarbeitszeit«. Die werden an diesem Tag schon etwas herausgefunden haben. Wird der Müller vermutlich morgen erfahren. Weil morgen ist immer ein anderer Tag. Für heute schaltet er das Natel aus, geht nicht ins Grosse Polizeihaus, sondern holt seine Badehose und das Frottiertuch und legt seine Haut am Oberen Letten im Schatten an die Luft. Vielleicht trifft er da ja wieder Kathrin. Er liegt auf dem Holzsonnendeck auf einer Pritsche, schaut senkrecht nach oben, sieht den blauen Himmel über der schönen Stadt Zürich. Gelegentlich fliegt eine Möwe durch sein Gesichtsfeld oder ein Rabe oder sonst ein Vogel, kenne mich nicht so gut aus damit, er hört Stimmen und Gespräche und Wörter und Laute und Silben, und seine Augen werden schmaler und noch schmaler. Und er schläft ein.
    Sagen wir es im Rückblick: Plansoll heute nicht erfüllt. Dieser Tag ist für die Ermittlung völlig für die Füchse.

Tag 9
    Zeit: Neun Uhr morgens. Ort: das Grosse Polizeihaus ohne Klimaanlage, Sitzungszimmer 203. Lagebesprechung, abteilungsübergreifend. Anwesend: Wunderli, der Müller, Bucher, der stellvertretende Staatsanwalt, heisst, glaube ich, Vogt, und natürlich Baumgartner und Buljubasic vom »Weisse-Kragen-Verbrechen«, im internen Slang »die Dandys«. Die Abteilung Wirtschaftskriminalität präsentiert ihre bisherigen Erkenntnisse. Bemerkenswert hoch: die vom Sumatra verbuchten Tageseinnahmen. Laut den Büchern ist jeder Restaurant-Platz täglich 3,7mal belegt. Einnahmen je Gast durchschnittlich 173   Franken. Bemerkenswert niedrig: die Wareneinkäufe. Bewegen sich im Branchendurchschnitt. Ergo: grosse Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben.
    »Das riecht …«, sagt Buljubasic.
    »… nach Geldwäscherei«, sagt Baumgartner.
    Der stellvertretende Staatsanwalt nickt.
    Kennt man in der Gastrobranche seit der »Pizza Connection« in den Vereinigten Staaten von Italoamerika. Das Restaurant eine leckere Fassade als Deckmantel, die Mitarbeiter in kriminelle Machenschaften verstrickt. Feinde im Ofen gebacken oder im Schweineeimer entsorgt. Das Schwein ist prinzipiell Allesfresser. Schwarzgeld aus kriminellen Machenschaften wird in den Finanzkreislauf zurückgeschleust. Beim Sumatra als Tageseinnahmen. Vorsicht: Ist erst

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