Mueller und die Schweinerei
entleiben und totmachen. RA Dr. Burkhalter hebt protestierend den rechten Arm und ruft: »Illegale Zwangsmassnahmen!«
Dieser Damokles sitzt dir immer im Nacken als Polizist: die prozedurale Kritik. Da musst du natürlich aufpassen, dass du nicht aktenkundig wirst. Aber das Gürtelschwingen von Weiermann galt wirklich nur der Fliege.
»Ruhig, Gustav, ruhig«, sagt Bucher Manfred – und zu Meierhans: »Ist nicht persönlich, er ist etwas auffällig.«
Das sehe ich, möchte Paul Meierhans sagen, aber sagt: »Kann ich wieder in die Zelle zurück?«
»Gleich«, sagt der Müller, »gleich. Noch eine Frage: Aber warum Sie? Warum hat man Sie für diesen Auftrag ausgesucht?«
Die Antwort von Paul Meierhans kommt nicht zu schnell und nicht zu langsam, und sie klingt plausibel: »Weil ich in der Zürcher Gastro-Szene eine etablierte Grösse bin. Da würde es nicht auffallen, wenn ich das Sumatra übernehme.«
»Mit allen Nebengeschäften«, will Manfred wissen.
Meierhans: »Davon war nie die Rede. Wir sprachen nur über die Geschäftsführung.«
»Falsche Antwort!«, sagt der Müller. »Sie hätten fragen müssen: Welche Nebengeschäfte?«
Fällt wie ein Meteorit in Meierhans’ Magen, dieser Tiefschlag. Und der Müller gibt Weiermann ein Zeichen. RA Dr. Burkhalter, Meierhans, Weiermann verlassen den Raum, und Müller erzählt auch das ins Mikrofon.
Müller und Bucher Manfred steigen wieder in den sechsten Stock auf die Dachterrasse, lassen die Augen über die Stadt Zürich spazieren, die dank ihnen sicher schlafen und wirtschaften und unbeschwert die Limite der Kreditkarte des Lebens geniessen kann. Sie fächeln sich die stehende Luft zu. Das Schokoding aus dem Automaten, das gerade noch ein Riegel war, klebt im Nu an der Hand. Kein Genuss beim Rauchen. Bis Bucher Manfred sagt: »Auf zu Scharpf.« 419 ist die Nummer.
* * *
Zwischenbemerkung: Geht so wirklich die Polizeiarbeit? Verhörraum 419 ohne Ende! Sich beschwatzen lassen. Eine Fliege, die Terror macht, Schwachstrommineralwasser und eimerweise Kaffee. Neonlicht und Sauerstoffmangel. Ein Mobiliar, wo jeder Stilberater kotzen würde. Sich von Mutmasslichen irgendeinen Löliseich anhören. Und das alles auf Arbeitszeit und Sozialleistungen, bezahlt von uns, dem Steuerzahler? Und hin und her, vom einen zum anderen, man denkt, die Polizei ermittelt im Cocktailverfahren. Geht das wirklich so bei der Polizei?
Die Antwort ist: Ja. In dieser Phase wirklich. Du hast einige Protagonisten versammelt und willst nun von ihnen dies und das wissen und alles andere auch. Ziel ist klar: Wahrheit, reine Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Zweck der Wahrheit ist klar: Abgleichen mit der Gesetzlichkeit. Kurz: Hat XY eine strafbare Handlung begangen? Die Erkenntnisse gehen an die Staatsanwaltschaft. Die entscheidet, ob Anklage. Wenn ja, beantragt sie ein Strafmass, vor Gericht wird verhandelt, die Anträge des Anklägers und der Verteidigung werden angehört, und das Gericht kommt zu einem Urteil. So geht das. Manchmal Pöschwies, manchmal Burghölzli, manchmal Freispruch. Oft aber auch Verfahrenseinstellung. Ziel ist nicht Verurteilung, sondern Gerechtigkeit.
* * *
Also, Scharpf.
Er sitzt schon da, ist zerknittert, Bartstoppeln am Laufmeter, gar nicht mehr der Biostrahlemann, der im Gastro-Guide seine Sterne und Kochmützen zählt. Der Lifestyle-Nimbus ist ihm in der Zelle abgebröckelt. Vor ihm der hellbraune, geriffelte Plastikbecher mit Kaffee. Nimmt einen Schluck, Andeutung einer Grimasse: Ist halt kein bei Vollmond gerösteter Biokaffee und auch nicht von fair salärierten Menschen gepflückt. Hat Pech, nicht einmal einer aus der Aluminiummüllkapselkaffeemaschine, die ist nämlich gerade kaputt. Jetzt normaler Automatenkaffee. Jahrelang gut genug für den Polizeidienst. Gut genug auch für die Klienten.
Der Müller setzt sich ihm gegenüber ans festgeschraubte Tischchen. Bucher Manfred auf den Stuhl an der Wand, als der Stumme im Hintergrund, der grimmig dreinschaut. Rechtsanwalt Dr. Schärer sitzt auch da. »Zwölf Uhr dreissig«, sagt der Müller, »Herr Scharpf, wir haben ein Problem mit Ihren Kontobewegungen.« Zum Beispiel gestückelte Transaktionen , wie die Dandys aus dem Internet herausgeschält haben. Da geht das Geld von hier nach dort und hintenrum dort hinüber und riecht für den Profi absolut nach illegal. Sind natürlich nicht als gestückelte Transaktionen markiert, klar, aber die Polizei, sie merkt es trotzdem. Sie hat da gewisse
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