Mueller und die Schweinerei
Polizei: Da helfen alle allen, und es ist für die Ermittlung immer befruchtend, wenn ein alter Haudegen von der Strassengrabenfront plötzlich mit Fakten aus dem Weisser-Kragen-Verbrechen konfrontiert ist. Da kommt die Polizei aufgrund dieser unterschiedlichen Optiken auf ganz erstaunliche Resultate.
Im Detail stellt sich hier im Verhörraum 419 heraus, dass Joachim Scharpf nur einen kleinen Teil des Schwarzgeldumsatzes behalten durfte. Dass ihm Walt Hauenstein vieles versprochen hat, aber wenig gehalten hat. Dass er über das Sumatra freier bestimmen wollte. Sich vergrössern wollte. Dass er Gedanken wälzte, wie er in die Legalität zurückkrebsen könnte. Dass ihm Hauenstein unsympathisch sei. Dass der Kellner Wotan in Wirklichkeit möglicherweise Aufpasser im Dienst der »International Gastro Finance SA «.
Alles erst Aussagen Scharpf, aber schriftlich festgehalten, datiert und ohne Zwangsmassnahmen unterschrieben. Muss die Polizei alles überprüfen. Wie immer. Der gotische Knoten lockert sich.
»Sechzehn Uhr fünfzig. Vielen Dank für Ihre Kooperation«, sagt der Müller, raucht mit Scharpf noch eine. Dem ist eine Prise leichter ums Herz.
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Später wird die Staatsanwaltschaft den Verdacht erhärten, dass die »International Gastro Finance SA « ihr Schwarzgeld mit Drogen verdient hat. Das fanden die Kollegen in Florida heraus, die Walter Hauenstein befragten. Der stellvertretende Staatsanwalt Vogt durfte hinfliegen. Paragraflich gewappnet, aber unwohl, weil wenig vertraut mit amerikanischem legal Englisch.
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Für den Müller und Bucher Manfred ist dieser Tag noch nicht zu Ende – polizeilich, meine ich. Sie gehen aber zuerst noch in die Polizeikantine. Hier gibt es seit Neuestem diese Sandwiches mit so Sprossen drin. Auch die Polizeimänner und -frauen sollen sich heutzutage gesund verpflegen, obwohl sich einige immer noch hin und wieder an den Imbissen im Milieu versorgen, wo es von Fett und Konservierungsmitteln nur so heraustropft. Ein paar schwarze Schafe mal ausgenommen, hat bei der Polizei nun wirklich niemand etwas gegen gesunde Ernährung. Auch da sind wir voll vom Trend hin zur Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit erfasst. Nicht nur schwingen wir seltener als früher den bedrohlich harten Mehrzweckstock, wir können uns auch gut über linksdrehende und rechtsdrehende Joghurts unterhalten. Manchmal knackst du die Verstockten mit einem Biojoghurt. Und wenn nicht, isst es der Polizeimann selbst und ist wieder fit für die nächste Runde.
Die letzte Runde für heute heisst Blacky.
Der Müller und Bucher Manfred frisch gestärkt mit dem Auto auf nach Albisrieden beziehungsweise ins Niemandsland zwischen dort und dem Triemli. Am Stadtrand beginnt das Aggloödland: Schulhaus, Sportanlage, Alterssiedlung, Wohnhäuser, Restindustrie, Rasen. Zwischen den Gebäuden kleine Streifen von Flächen, wo nicht viel ist. Vielleicht ein Container, ein geteerter Weg, eine Mauer, ein Autohandel, eine Bushaltestelle, ein weggeworfener Robidogbeutel. So richtig trostlos, nichts. Kannst du gar nichts machen. Ist nicht schön, obwohl ist auch Zürich. Ist einfach irgendwie gebaut und ausgenützt, aber ohne viel Sinn und Verstand, und bleibt so, bis jemand Rendite riecht und umsetzt. Keine Menschen sind da, denkt man, wenn man das sieht. Aber stimmt nicht. Denn da wohnt Blacky.
Triemlistrasse irgendwas, Nummer erwähne ich absichtlich nicht, damit Blacky, der immer noch dort lebt, nicht von Schaulustigen belästigt wird. Ortstermin. Da erfährt die Polizei mehr über eine Person als in der unpersönlichen Atmosphäre im Polizeihaus mit ihren abwaschbaren und angeschraubten Flächen und Möbelstücken. Ja, warum richtet die Polizei denn überhaupt Verhörzimmer ein und schleppt alle möglichen Leute dorthin? Wegen der Zeitökonomie, den Mannstunden. Was das kostet: immer hinfahren, in den Siedlungsbrei zwischen Triemli und Albisrieden oder sogar bis Leimbach oder Neuaffoltern hinaus. Das kann sich die Polizei nicht immer leisten.
Bei Blacky also Überprüfung und Gegencheck von Aussagen Meierhans.
Mietshaus, drei Etagen, Blacky wohnt ganz oben.
Klingeln. Ruft: »Herein.«
Machen sie. Blacky sitzt auf einem schwarzen Ledersofa, DVD im Gerät: »Easy Rider«. Freut sich, dass Besuch da, sagt, ohne die DVD abzubremsen: »Jetzt kommt gleich die Szene, wo das kleine Panzerboot zu Colonel Kurtz kommt, dort im Dschungel mit den aufgespiessten Köpfen der Getöteten. Richtig gespenstisch.«
Auf dem Tischchen
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