Mueller und die Schweinerei
Parameter, die als Sieb wirken. Keine Einzelheiten dazu, aus ermittlungstechnischen Gründen. Wegen der polizeilichen Erkenntnisse sagt der Müller zu Joachim Scharpf: »Die Staatsanwaltschaft arbeitet dran. Geldwäsche.«
Scharpf starrt starr vor sich hin. Das Wort hat seine Ohrmuscheln erreicht, sinkt ins Bewusstsein und sackt dann hinunter ins U-Bewusste. Geldwäsche! So ein Vorwurf ist ein starkes Stück. Da weiss er, er wird auch heute seine Gäste nicht bekochen. So eine Untersuchung dauert. Die kann sich Monate hinziehen.
Aber schweigt.
»Was uns besonders interessiert: Warum Ihr karibischer Geschäftspartner Sie aus dem Verkehr ziehen wollte.«
Auch das wieder gleicher Weg Ohrmuscheln Bewusstsein U-Bewusstsein. Der Müller sieht, wie die Gehirnströmungen diese Information verarbeiten. Joachim Scharpf, das deutsche Biowunder aus der Josefstrasse, versucht locker auszusehen.
»Ich verstehe Ihre Frage nicht«, sagt er. Die Auf-Zeit-Spiel-Antwort aus der Steinzeit.
Und der Müller berichtet in Grundzügen die Aussage von Meierhans. Scharpf macht grosse Augen. Aber keine hektischen Abwehrmanöver, mehr so im Sinne Nachdenklichkeit und Sich-Hintersinnen und Realitätsüberprüfung. Sicher beschleunigt sich sein Puls.
»Zigarette?«, fragt der Müller. Scharpf schüttelt den Kopf. Der Müller entflammt selber eine. Im Hintergrund schaut Bucher Manfred Scharpf an. Scharpf sieht, dass Bucher Manfred ihn anschaut. Und obwohl Manfred nicht mehr der Koloss von Aussersihl und der Elefant vom Sihlfeld ist, die Liebe hat ihn von 110 Kilogramm bis um die 90 herunter verschlankt, hat er immer noch eine imposante Persönlichkeitsstatur.
»Gab es Konflikte zwischen Ihnen und der IGFSA ?«
Da könntest du dir die Haare ausreissen, weil der immer noch nichts sagt. Aber Müller weiss, dass Scharpf nicht einfach nur verbockt ist, sondern er sieht, dass bei dem ein Film abläuft. Seine Gehirnströmungen scheinen heftig zu zucken und elektrische Energie zu übermitteln (so läuft das bei Gehirnprozessen). Sortiert der Biogott die Vorfälle in seinem Leben? Die Erfahrungen mit der IGFSA ? Will er auspacken?
Er will eigentlich nicht. Aber er wird, weil er irgendwann wollen wird. Im Menschen ist das Wollenwerden tief anthropologisch drin angelegt: die reinigende Kraft des sauberen Tischs. Wenn du ihn endlich sauber machst und alles erzählst, was dir auf der Leber liegt. Dann fühlt sich einer sofort besser.
Neuen Kaffeebecher, Mineralwasser.
Unter dem Neonlicht vom Verhörzimmer 419 bilden sich Risse in Joachim Scharpfs Fassade. Als er seufzt, wissen der Müller und Manfred, dass es vorwärtsgeht auf der Rolltreppe zur Aufklärung des Falles.
»Sie wollten alles aus mir herauspressen, ohne Mitspracherecht«, sagt Scharpf schliesslich. »Kann ich doch eine Zigarette haben, bitte? Ich habe zwar vor sieben Jahren … aber das interessiert Sie sicher nicht.«
»Nein, tut es nicht«, sagt der Müller, kleine Pause, holt die Packung hervor, die heimische Produktion aus dem Jura, streckt sie ihm hin, bedient sich, Feuer. »Was uns interessiert: Wer wollte alles aus Ihnen herauspressen und Sie nicht mitreden lassen?«
»Die ›International Gastro Finance SA ‹. Hauenstein und seine Leute. Ich sollte einfach irgendwelche Summen als Einnahmen verbuchen, Geld, das sie mir in bar zukommen liessen.«
»Hauenstein?«, fragt der Müller, muss sichergehen.
»Er nennt sich ›Walt‹, wie Walt Disney«, sagt Scharpf, »ein bisschen affig. Sogar ich als Deutscher höre seinen Thurgauer Akzent.«
Und wenn einer den Dammbruch erst einmal zugelassen hat und es durch ihn hindurchsprudelt, dann geht es schnell, bis das Staubecken leer ist, und die Polizei hat alle Hände damit zu tun, das abfliessende Wasser zu kanalisieren, zu sieben und zu filtern. Zum Glück läuft das Tonband. Also eigentlich nicht das Tonband, sondern ein MP 3-Recorder, weil die Polizei: technologisch vorne mit dabei ist, schon lange. Da ist dann alles drauf, und der Müller und Bucher Manfred müssen es nicht allein auswerten und sortieren, sondern mit Hilfe der zuständigen Abteilungen der Polizei Zürich. Hauptmann Peter Wunderli, Chef Abteilung Gewaltverbrechen, wird den Fall vielleicht ganz an die Wirtschaftsabteilung weiterreichen. Weil Gewalt in diesem Buch bisher erst gegen Schweine, der Rest der Ungesetzlichkeiten liegt mehrheitlich im Ökonomischen. Aber Interdisziplinarität ist nicht nur in der Universität gefordert, sondern auch bei der
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