Mueller und die Schweinerei
Vorsprung.
Blacky hilft also der Ermittlung. Und die Wahrheit quillt in die Wirklichkeit herüber: Die jüngsten Aussagen von Paul Meierhans sind wahr. Der Giftauftrag kam von der »International Gastro Finance SA «. Die Geldübergabe ist dokumentiert. Blackys internationales Motorradkontaktnetz hat zwei der drei Männer auf dem Parkplatz beim Fressbalken identifiziert. Die Namen sind bekannt. Blacky sagt sie, die Polizeimänner geben sie sofort auf dem Dienstweg weiter.
In wenigen Stunden wird feststehen: Die beiden nicht mehr Unbekannten stehen in unzweifelhafter Verbindung mit jener britischen Finanzfirma in der Karibik. Scharpfs Renitenz gegenüber seinen Geldwäschepartnern klingt plausibel und wird, so Mitteilung von oben, durch die Vernehmung von Walter Hauenstein, CEO »International Gastro Finance SA «, in Florida bestätigt. Akte liegt im Grossen Polizeihaus.
»Was hättest du von der ganzen Sache gehabt, Blacky?«, fragt der Müller noch, bevor Blackys Wohnungstür hinter ihm ins Schloss fällt.
»Einen Parkplatz auf Lebenszeit für mein Motorrad, im Grundbuch eingetragen, hätte ich von Meierhans erhalten«, sagt Blacky – und startet den Film in der Szene mit den abgeschlagenen Köpfen und der Dunkelheit des Dschungels, wohin sich Colonel Kurtz mit seinen Allergetreuesten zurückgezogen hat. Die Zivilisation, sagt er, ist nur eines: Horror. Bedeutend weniger scharf, aber in der Konsequenz ähnlich, formuliert es der spätantike römische Philosoph Vitellian kurz vor den Schrecken der Völkerwanderung: »Das Neue, bedenke, es ist ungewiss.«
* Aus ermittlungstaktischen Gründen und auf Ersuchen der Medienstelle der Polizei Zürich unkenntlich gemacht, um keine Nachahmungstäter anzuwerben.
Tag 10
Alles einigermassen klar? Das denkt der Müller, wie er am nächsten Morgen verschwitzt und von den stundenlangen Befragungen des Vortags noch benommen aus den feuchten Laken steigt. Nackt geht er die zwei Meter über den Korridor. Sehen kann seine Nackigkeit niemand, weil alle Läden unten.
Alles einigermassen klar? Denkt der Müller immer noch, als er die Aluminium-Espressomaschine ausspült, neu befüllt und auf den Herd setzt. Gas. Anzünden.
Einigermassen schon, denkt er. Doch, doch, mehr als einigermassen. Noch ein paar Details ausbügeln, einige Zeugenaussagen verschriftlichen und unterschreiben lassen. Dem Wissenschaftlichen Dienst Zeit lassen, damit er schalten und walten kann mit seinen Diagrammen, Grafiken, Zahlentabellen und Genomschläuchen, die er aus dem brandneuen Multimaten printet, der letzte Woche geliefert wurde.
Aber eines wurmt mich schon noch, denkt der Müller, während der heisse Kaffee im engen Röhrchen nach oben gurgelt: der Rollschinken! Was sollte der?
Sie erinnern sich? Der Rollschinken im Stall von Heini und Marie Angst-Schwerzmann auf dem Schwendihof in Oberlunkhofen im Aargau. Er stand in der Ecke, mannshoch, und die Kollegen vom WD haben ihn zur Sicherung allfälliger Spuren abtransportiert. Und der Müller und Bucher Manfred haben doch da in der Nacht den Journalisten Hauser überwältigt.
Wo würden Sie jetzt ansetzen? Ja, Sie würden sich wie der Müller und ich und die ganze westliche Hemisphäre fragen: »Ja, was ist denn dieser Rollschinken für eine komische Geschichte?«
Und weil die Rede von Michael Hauser ist, würden Sie den Weg zur Bertastrasse einschlagen, wo er bekanntlich wohnt.
Also gut, machen wir das. Der Müller telefoniert nämlich exakt in diesem Sinn vorabklärerisch mit seinem Freund und Kollegen Bucher Manfred.
Der sagt am Telefon: »Ja, der Rollschinken …«, und seufzt, was bedeutet: »Ach, Gott, das auch noch.« Schon schwierig. Ich meine: So eine Begegnung mit einem heimlich irgendwo deponierten Rollschinken passiert dir wirklich nicht alle Tage. Das kann man nicht einfach so auf sich beruhen lassen. Das weiss der Bucher, das weiss der Müller. Die Ratlosigkeit steht beiden ins Gesicht geschrieben. Sagst du vielleicht: Wie geht das? Können wir das behaupten, weil wir beide Gesichter gleichzeitig sehen? Können wir doch nicht! Yes Sir, I can boogie! Ich sage dir: In der Phantasie denkst du vieles, wo in der Wirklichkeit gar nicht möglich ist. »Auch Gedanken sind real.« (Diodoros). Sie existieren und sind darum wahr. Und in einem Buch ist noch viel mehr möglich, das kann ich versichern. Ich habe schon Bücher gelesen, die handeln auf dem Mond oder in der Zukunft, und das gibt es doch auch nicht wirklich, materiell. Das ist
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