Mueller und die Tote in der Limmat
nicht allen von seiner besten Seite zeigen. Und Holderegger bildet nun wirklich keinen, sagen wir, «Body-Typen», eher Knochengerüst mit normalen Muskeln überall, schon im Rahmen Gauss’sche Normalverteilungsglocke, Arme etwas hypotroph, Fremdwort für «mager», weil immer nur Telefon und höchstens einmal CD -Schachteln und nicht Lautsprecher und Mischpult schleppen wie zum Beispiel Rock ’n’ Roll-Manager Johnny-Hansueli Maurer von der Ankerstrasse, der deshalb viel sehniger und zäher ist.
Holderegger ist mehr so typischer Bürotyp und fast ein wenig bleich, weil «Il fumo uccide» und viele Kaffeekapseln im Müll, aber das ist Holderegger egal, er raucht Zigaretten wie Besenbinder und zieht daran wie ein Staubsauger und nippt am Schäumchen wie Clooney. Und wir denken an das eben gehörte Telefongespräch zurück und denken: «Schon komisch» und «voll verdächtig».
Weil da etwas im Busch ist, nämlich «die Kisten» mit CD s um siebzehn Uhr «bei dir» abzuholen.
Da fügt es sich gut, dass zur selben Zeit Bucher Manfred (99 Kilogramm) Müller Beni anruft und ihn bittet, diskret, weil krankgeschrieben, Johnny Maurer zu observieren. Heisst im Jargon «beschatten», und Schatten könnte der Müller an der Ankerstrasse sicher gut brauchen. Aber, so Bucher, «haben alle verfügbaren Kräfte auf die Fahndung nach Mark Huber geworfen, deshalb brauchen wir deine Hilfe.»
Beschatten ist die Alltagsarbeit des Ermittlers, quälend anstrengend und langweilig, weil du dabei fast einschläfst und meist gar nichts passiert, manchmal aber eben doch, und dann musst du bereit sein und das Kommando «Zugriff!» auslösen können oder dir trotz stunden- und tagelanger sinnestötender Ödnis jede Einzelheit merken können, wer, was, wann, wo und ja nichts vergessen. Der Müller wird gebraucht, und er sagt sofort zu.
«Aber diskret», sagt Manfred nochmals, «der Chef darf nicht wissen, dass ich dich auf Maurer angesetzt habe. Er nimmt es genau mit dem Arbeitsgesetz, und du bist krankgeschrieben.»
Der Müller akzeptiert. Muss ja. Und will dabei sein bei diesem Fall, weil ihm ja buchstäblich persönlich die tote Sandra Molinari in der Limmat entgegengeschwommen kam. Und denkt ja seit Tagen fast an nichts anderes mehr als an diese Sachen. Denkt zum Beispiel an die ganze musikalische Verwertungskette hinter Sandra und Spitfire , das heisst an Rockmanager Johnny Maurer von der Ankerstrasse mit den vielen Tätowierungen und an die Kleinplattenfirmenmänner Heeb und Holderegger. Zwei Bands sind denen weggestorben. Zwei Umsatzbringer. Da kann sich der Müller Benedikt schon einfühlen und sich zusammenreimen, was im Kopf von Johnny Maurer und Heeb und Holderegger für Gefühle sich abspielen: Angst ums Geschäft, weil die Künstler davonsterben.
Ergo Frage: Warum sterben die Künstler davon?
Folgerung: Jemand tötet sie. Verdacht begründet im Falle Sandra Molinari; Verdacht erst reine Spekulation, aber schon verdichteter Verdacht und bald bewiesen im Fall Spitfire -Unfall-Auto-in-Schlucht.
Frage daher: Wer tötet sie?
Zweite Frage: Wer ist mein Feind? Fragen sich wohl Maurer und Holderegger/Heeb.
Dritte Frage: Bin ich auch in Gefahr? Fragen sich wohl Maurer und Holderegger/Heeb.
Beruhigend für die beiden: Polizei mischt im Spiel schon mit, und der Müller ist sogar ganz nah am Geschehen. Und umgekehrt andererseits ist das auch nicht so beruhigend für Holderegger und Johnny Maurer, weil vielleicht Dreck am Stecken? Mutmasslich vor eigener Haustür nicht sauber gekehrt? Könnte sein, doch durchaus noch keine Beweise erhärtet. Das braucht eben seine Zeit, und das dauert.
Viel Denkarbeit für den Müller. Aber was will man: So ist das Leben, und das Verbrechen ruht nicht. Da darf man sich keine Illusionen machen. Deshalb denkt Müller weiter: Heeb/Holderegger und Maurer, denkt er. Und denkt Gedanken weiter: Heeb/Holderegger und Johnny Maurer sind vermutlich wohl auch sehr finanziell interessierte Menschen. Betroffenheit über Sandra-Tod und Sebastian-Tod, Stefan-Tod, Goran-Tod, Hausi-Tod, René-Tod und James-Tod, Gretschgitarren-Tod mutmasslich wahrscheinlich mehr pekuniärer Natur als wirkliches Mitgefühl.
Gescheites Wort, pekuniär, heisst etwas «mit Geld». Das weiss man aus der Literatur und aus dem Leben, dass es Menschen gibt, wo wegen Geld über Leichen gehen. Gefühlskälte und Verbrechen sind Geschwister. Deshalb wäre es dann vollkommen gut möglich: Bumm Bumm ohne Gewissensbisse, ist doch klar, quasi
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