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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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Holderegger von «HeHo-Records», dessen Vorname (Severin) uns bisher nicht interessiert hat und das Alter (40) auch nicht, sowie als zweite Person ein anderer am anderen Ende des Telefondrahts. Logisch ist es ein anderer. Severin Holderegger wird bestimmt nicht mit sich selbst telefonieren. So weit ist er noch nicht. Bisher nicht pathologisch aufgefallen.
    Nennen wir den anderen, denn wir kennen ihn (noch) nicht, einfach U, ist Abkürzung für «Unbekannt».
    Wir sehen Holderegger am Schreibtisch, der mit Material verschiedenster Art übersät ist: Als da wären eine Adresskartei, ein Faxgerät, ein Telefon, ein Angebissener-Apfel-Kugelcomputer in Türkis und mit sichtbaren Innereien, der heute sicher im Designmuseum steht, ein Drucker, ein Gefäss mit Schreibstiften, ein Buch «Musik & Recht, Schweizer Handbuch für Musikschaffende» als Blickfang für Verunsicherte und auch Drohinstrument für Freche, eine schwarze Agenda, einige CD s, unter anderem von Sandra solo und Spitfire , Papiere und Dokumente, Briefumschläge, du meinst, du bist fast in einer Papeterie für Gebrauchtwaren. Und da liegt auch ein Paket einer bekannten Zigarettenmarke, orangefarben mit rotem Querstreifen und Aufschrift bösartigen Inhalts:
    «Rauchen ist tödlich, Fumer tue, Il fumo uccide.»
    Aber Severin Holderegger ist das egal, Manns genug, stark wie ein Ochse und psychisch sowieso, vierzig und voll im Saft, ausgeglichen et cetera, kümmert sich nicht um Aufschriften. Er raucht eine Zigarette wie ein Besenbinder und zieht daran wie ein Staubsauger und spricht in den Telefonhörer.
    Inhalt und ungefährer Wortlaut dieses Telefongesprächs liessen sich später während der Ermittlungen rekonstruieren. Hören Sie selbst.
    H (= Holderegger): «Hallo, ich bin’s.»
    U (= Unbekannter): «…» (hört man ja nicht, ausser wenn der Lautsprecher eingeschaltet, aber ist er nicht, daher Annahme (deduktiver Schluss): Holderegger ist allein in Büroraum oder (zweite Hypothese) Inhalt des Telefongesprächs vertraulich und nicht für weitere Anwesende bestimmt.
    H: «Ist’s gut jetzt?»
    U: «…»
    H: «Wie sieht’s aus?»
    U: «…»
    H: «?»
    U: «… … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … …» (Ist eine ziemlich lange Antwort)
    H: «Wir sind jetzt ziemlich in der Scheisse. Erst Sandra, und jetzt sterben mir all die Spitfire -Jungs auch noch weg, dieser Unfall …»
    U: «…»
    H: «Ach, das weisst du noch gar nicht? Die ‹Online-Boulevard-Zeitung› meldet’s seit heute früh … Ja, der ganze Tourneebus ist in eine Schlucht gestürzt, im Jura, zwischen Biel und Delémont. Jetzt habe ich bald gar keine Bands mehr, die touren können. Die Berner haben sich aufgelöst, Sandra tot und jetzt dieser Unfall –»
    U: «… … … …»
    H: «Jaa, ich bin auch total geschockt … es ist alles ein bisschen viel zurzeit. Und die Polizei ist –»
    U: «…»
    H: «Ja, die Polizei. Ich wurde befragt, ob ich etwas weiss wegen Sandra. Aber ich weiss doch nichts. Jedenfalls nichts, was einen Mord rechtfertigen würde.»
    U: «…»
    H: «Keine Ahnung. Ich weiss nur, dass ich offene Rechnungen bis zum Hals habe, und wenn alle tot sind und niemand Konzerte spielt, kommen die CD s nicht unter die Leute. Also kommt nichts herein. Geld, Mann!»
    U: «… …»
    H: «Ja, vielleicht bin ich ein unsensibler Trottel, aber ich muss auch einmal an mich denken …»
    U: «…»
    H: «Ja, dann bis siebzehn Uhr. Bei dir.»
    U: «…»
    Ende Telefongespräch.
    (Kurze Pause)
    Ja, da bleibt dir doch die Spucke weg, nicht?
    Aber wie so oft, denn die Pfade sind unerforschlich, offenbart sich urplötzlich wie von Gottes Hand gesandt, vorausgesetzt Glaube vorhanden, das wahre Gesicht eines Menschen. Die Maske ist ihm entrissen und steht nackt vor dem Schöpfer, metaphorisch gesprochen, obwohl Severin Holdereggers Wohnzimmer-Büro-Wohnung natürlich siedend heiss wegen backofengleicher Zürcher Sommerhitze und schon frühmorgens die Sonne auf die Fassade brennt, aber Holderegger ist nicht nackt, weil Nachbarn auf der anderen Strassenseite ihn sehen könnten, will man sich doch

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