München - 2030
Kopfweh, klagt er. Der Typ ist in Ordnung. Wir sitzen mittags regelmäßig zusammen in der Kantine. Er wollte nicht mal wissen wie alt du bist, oder ob du irgendwelche ansteckenden Krankheiten hast.«
Umso weiter der Bus in die Innenstadt gelangte, desto ärger wurden die Szenen die sich in den Straßen abspielten.
München war inzwischen zu einem Alten-Ghetto geworden.
Am Straßenrand lagen hinfällige Alte, notdürftig mit Planen und Zeitungen zugedeckt. An beinahe jeder Ecke befanden sich bettelnde Greise, die die Hand aufhielten. Und in einer engen Gasse sahen sie zwei Alte, die einem anderen, noch Älteren, ein Messer an die Kehle hielten und ihn ausraubten.
Grüppchen standen eng aneinander gedrängt um in Brand gesteckte Autoreifen. Auf diese Weise hofften sie sich, ihre von der Kälte erstarrten Glieder ein wenig aufzuwärmen. Manche sammelten Schnee und hielten dann verbeulte Töpfe über die Flammen, wo sie sich mit dem Schmelzwasser einen Tee kochten.
Seit der Trinkwasserprivatisierung von 2014, war das Wasser nur noch für die Oberschicht bezahlbar.
Das Wasser wurde nun je nach Preislage in den Qualitäten LUXUS, HIGH, und NORMAL angeboten und an die Haushalte geliefert – wobei das mit den Qualitätsangaben HIGH oder NORMAL bezeichnete Wasser als ungenießbar galt. Doch selbst dieses Wasser war für die Bedürftigen unerschwinglich geworden. Sie waren nun gezwungen ihr Wasser illegal an öffentlichen Gewässern zu entnehmen – was wiederum seit 2018 eine strafbare Handlung darstellte, die durch die Wasser-Polizei verfolgt, und mit einem erheblichen Bußgeld geahndet wurde. Oder aber sie mussten sich billigen Fusel im Supermarkt oder an einem der vielen Kioske besorgen. Weißwein im Tetrapack oder Sangria wurde zur Hälfte billiger verkauft als Trinkwasser – was zufolge hatte, dass nun viele Alte schon morgens alkoholisiert waren, wobei sich auch die weibliche Bevölkerungsschicht nicht ausnahm.
Inzwischen war der Bus an der Haltestelle Haus Sonnenschein angelangt.
Als sie im Begriff waren den Bus zu verlassen, blieb Victor einen Moment vor dem Alten stehen, der ihnen zuvor den Platz streitig machen wollte.
»Sie sind doch Herr Baumann, oder?«, fragte Victor.
Der Alte blickte ihn erstarrt an.
»So sieht man sich wieder«, sagte Victor böse dreinblickend.
»Das ist für das Radio!«
Und bevor der Alte in irgendeiner Art und Weise reagieren konnte, hatte ihm Victor einen gemeinen Tritt gegen den Oberschenkel verpasst und war ausgestiegen.
»Warum schlägst du den Alten?«, fragte Charly verwundert, als sie an der Straße angekommen waren. So hitzig hatte er Victor bisher noch nie erlebt.
»Das war Herr Baumann«, erklärte Victor, »mein ehemaliger Gerichtsvollzieher. Er hat mir mal das Radio gepfändet.«
Schließlich standen Victor und Charly vor dem Eingangsbereich von Haus Sonnenschein.
»Das hatte ich mir größer vorgestellt«, sage Victor, mit geringschätzender Miene, die Fassade betrachtend. Von außen wirkte Haus Sonnenschein eher unscheinbar. Es war ein zweistöckiger Beton-Flachbau, der nicht den Anschein irgendeiner Größe erweckte.
»Lass dich überraschen«, erwiderte Charly mit einem Lächeln.
»Haus Sonnenschein steht auf einer Anhöhe, was du hier siehst, ist lediglich ein kleiner Teil davon.«
Haus Sonnenschein wurde Mitte des letzten Jahrhunderts auf dem Giesinger Berg errichtet. Bedingt durch die stetige Zunahme an Personen im Rentenalter, waren Jahr für Jahr neue Anbauten nötig geworden, die man der Einfachheit halber, den Hügel hinunter errichtet hatte. Und in den letzten Jahren war Haus Sonnenschein geradezu explodiert.
Inzwischen konnte es Haus Sonnenschein mit der Bewohnerzahl einer Kleinstadt aufnehmen.
Als Victor durch den Eingang trat, änderte sich die schlichte Erscheinung von Haus Sonnenschein grundlegend und er blieb wie angewurzelt stehen.
Er befand sich in einer fürstlich eingerichteten Empfangshalle. Auf beiden Seiten des Eingangsbereiches standen auf goldverzierten Sockeln überlebensgroße griechische Statuen. Die Figur linker Hand zeigte eine Darstellung von Asklepios, des griechischen Gottes der Heilkunst. Er führte einen Spazierstock mit sich, auf den er sich leicht gestützt hielt, und um den sich eine Schlange wand.
Ihm
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