München - 2030
Keller eingesperrt«, betonte Susann und machte sich langsam Sorgen.
»Er versucht sich mal wieder selbst zu übertreffen«, meinte Charly, der an Victors bisherige Aktionen denken musste.
»Kannst du dich noch erinnern, als Victor vor zwei Jahren in wochenlanger Schinderei, den dreißig Meter langen Schacht ausgehoben hat?«, fragte Charly.
(Victor hatte bei dieser Aktion ein Kabel der Stadtwerke und eine Leitung der Wasserwerke angezapft, seit dieser Zeit hatten sie im Haus kostenlosen Strom und Wasser zur Verfügung. Um den Anschluss zu bewerkstelligen hatte er sogar einige Wohnblöcke in der Wiesentfelser Straße für zwei Stunden vom Netz genommen).
»Oh weh«, seufzte Susann, sich daran erinnernd, »wenn das nur mal gut geht?«
Auf einmal flammte draußen ein paarmal ein grelles blaues Licht auf. Es kam direkt aus dem Kellerschacht. Sekunden später hörten sie Victor fröhlich pfeifend die Kellertreppe hoch kommen.
»Trara Trara Trillü Trillü«, jubilierte Victor freudestrahlend.
»Wie wäre es mit einer kleinen Präsentation«, fragte er augenzwinkernd.
Und was Susann und Charly im nächsten Augenblick zu sehen bekamen, übertraf selbst ihre kühnsten Vorstellungen.
Am kommenden Morgen, bereits kurz vor neun Uhr, stand Victor vor Brenningers Haustüre und drückte die Klingel. Aus einem gekippten Fenster im ersten Stock drang der zweistufige Ton eines elektrischen Gongs.
Brenningers Wohnung lag in der Mainaustraße, in einem vierstöckigen Plattenbau, der über keinen Aufzug verfügte. Es dauerte ein paar Minuten bis sich Brenninger angezogen hatte und sich dann mit seinen Krücken, Stufe für Stufe, herunterquälte.
Victor hatte bisher schon einige Schurkenstücke gedreht, aber was er nun vorhatte, grenzte an ein Himmelfahrtskommando. Victor war klatschnass geschwitzt. Als Brenninger Victor erblickte, schien es ihm die Sprache verschlagen zu haben.
»W-was m-machen Sie hier«, stammelte Brenninger überrascht, während er sich mit seinen Krücken die Tür aufhaltend, mühsam durch den Eingang schob.
»I-i-ich w-wollt ihnen was zeigen«, stotterte Victor und zog hinter sich einen Rollator hervor. Victor hatte Pillen-Edes Rollator in perfektionistischer Weise umgearbeitet und einen Polizei-Rollator daraus gebaut.
Der Rollator blinkte und blitzte wie Brenninger bisher noch nie einen gesehen hatte. Die Felgen waren in Edelstahl und hochglanzpoliert. Das Fahrgestell war grün und mit feinen silbernen Streifen verziert – es war genau in denselben Farben lackiert wie die Polizeifahrzeuge.
Brenninger starrte auf das Ding.
»Hier«, sagte Victor einen Schalter betätigend, »kann man das Blaulicht zuschalten.« Sofort lief ein grelles blaues Lauflicht unter der ovalen Glashaube der Rundumleuchte.
Brenninger wich einen Augenblick erschrocken zurück, doch dann begannen seine Augen zu leuchten. Victor schaltete das Licht wieder ab.
»Und hier«, sagte er, »das ist das Martinshorn.«
Victor schaltete es nur kurz an, sodass es für einen Moment aufheulte und dann langsam verstummte.
»Und das«, zeigte Victor auf einen weißen Trichter, »das ist ein Megafon.« Brenninger starrte abwechselnd auf das Gefährt und dann zu Victor und es dauerte bis der Groschen fiel. Doch verliebt hatte er sich sofort in den Rollator – es war praktisch Liebe auf den ersten Blick.
»B-B-B-Beschlagnahmt ... «, stotterte Brenninger und sah dabei zu Victor, ob dieser etwas einzuwenden hätte.
Victor nickte mit dem Kopf.
Auf Brenningers Gesicht erstrahlte ein Lächeln.
»Ich werde ihn beschlagnahmen müssen«, ergänzte schließlich Brenninger, den Satz nun vollständig aussprechend.
»Ich habe ihn gefunden«, betonte Victor.
»Ja-ja gefunden«, wiederholte Brenninger, »keine Sorge – gefunden – alles klar – vielen Dank«, gab er noch etwas gefühlsdusselig und mit kleinlauter Stimme von sich, und legte seine Hände auf die schwarzen Kunststoffgriffschalen.
»Ich gehe dann mal wieder«, sagte Victor und machte einen Schritt rückwärts.
»Auf Wiedersehen!«
»Wiedersehen«, murmelte Brenninger selbstvergessen,
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