München - 2030
seine Augen nicht mehr von seinem neuen Spielzeug lassend. Als sich Viktor schon ein paar Meter entfernt hatte, sah er den blauen Lichtschein der Rundumleuchte aufflackern, die Brenninger noch einmal zu einem kurzen Funktionstest betätigt hatte. Dann hörte er noch einen Zischlaut, jetzt hatte Brenninger also den Multifunktionsschlagstock entdeckt.
Nun war es Victor endlich möglich, ungehindert seinen Geschäften nachzugehen. Ein paar Wochen später war er Brenninger sogar begegnet, doch dieser hatte ihm lediglich bemitleidend zugesehen, als er wieder aus Pasing kommend und einen alten Rollator vor sich herschiebend, die Radolfzeller Straße entlanglief.
Brenninger, der nun stolz mithilfe seines Polizei-Rollators den Streifendienst versah, schien sich nun gar nicht mehr ernsthaft für ihn zu interessieren. Eines Tages hatte er ihn zwar einmal angehalten und sich Victors Ausweis zeigen lassen – doch den gestohlenen Rollator (ein uraltes Ding), welchen Victor mit sich führte, hatte er keines Blickes gewürdigt. Victor ärgerte das irgendwie – aber es war nicht Brenningers Schuld. Es lag daran, dass das Rollatorgeschäft von Monat zu Monat immer weiter einbrach.
Gute Rollatoren waren kaum noch in den Straßen zu finden. Die Leute hatten einfach kein Geld um sich neue zu kaufen. Er konnte sich noch glücklich schätzen, wenn er einen Zehnt-Hand-Rollator bei seinen Streifzügen erbeutete – die meisten Fahrzeuge, die er an sich bringen konnte, entsprachen nicht einmal mehr der Beschreibung Rollator. Oft waren es selbst zusammengebaute Konstruktionen, die ihre Besitzer aus ausgedienten Fahrrädern, Schubkarren und Kinderwägen des vorigen Jahrhunderts mit Drähten und Klebebändern zusammengeschustert hatten. Manche davon waren so schwer zu schieben, dass Victor für eine Distanz von zwanzig Minuten zu Fuß, einen halben Tag benötigte. Auf diese Weise hielt er sich zwar fit und war immer an der frischen Luft, aber sein Brot konnte man so nicht verdienen. Und dann musste Victor die Rollatoren ja erst einmal noch instand setzten und um-lackieren. Eine Aufgabe die noch weitaus mehr Zeit in Anspruch nahm, wie das Beschaffen an sich.
Victor war ein wahres Genie was das handwerkliche betraf und sein Kellerraum wo er die Rollatoren zusammenschraubte, hätte mit jeder professionell eingerichteten Mechaniker Werkstätte in Konkurrenz treten können.
Überall lagen Fahrgestelle, die auf eine Überholung warteten, manche zum Lackieren vorbereitet, andere mussten geschweißt werden, und die die nicht gebraucht wurden, befanden sich in Warteschleife und Victor wollte sich darum kümmern, wenn er einmal ein wenig mehr Zeit übrig hatte – was so gut wie nicht vorkam.
Doch nun, wo damit kein Geld mehr zu verdienen war, erschien ihm der Aufwand den er betrieb immer sinnloser zu sein.
Als Victor eines Tages nachhause kam, schob er wie so oft, einen Rollator vor sich her. Susann, die zur gleichen Zeit das Haus verließ und gerade auf dem Weg ins Yoga war, hielt ihm widerwillig die Gartentüre auf. Ihr war es gar nicht recht, dass Victor sein Brot mit Rollatorendiebstahl verdiente und dementsprechend waren auch ihre Kommentare geartet.
»Was ist das?«, fragte sie spöttisch, auf das Gefährt zeigend.
In der Tat hatte Victor dieses Mal einen schlecht verzeihlichen Fehlgriff getan. Das Ding, das hätte ein Rollator sein sollen, war aus einem rostigen, alten Kinderwagen zusammengebaut und quietschte und klapperte in den erbärmlichsten Tönen, während es Victor unter körperlichen Anstrengungen vor sich her bewegte.
»Das ist ein Rollator«, sagte Victor und bereute die Worte schon während er sie aussprach.
»Ha-ha«, spottete Susann scharfzüngig. »Ich dachte, du seist senil geworden und schiebst einen Puppenwagen vor dir her. Aber gut, dass du mir gesagt hast, dass es sich um einen Rollator handelt, das hätte ich im Leben nicht erraten.«
Susann rümpfte die Nase und schritt erhobenen Hauptes davon, während Victor, dem nichts darauf zu erwidern einfiel, mit offenem Mund dastand.
Victor war so wütend, dass er anschließend den Rollator die Kellertreppe hinunterwarf.
Kurze Zeit später kam Charly aus der Arbeit zurück.
»Was ist mit dir los«, fragte er, nachdem er Victor mit hängenden Schultern und einer Miene wie drei Tage Regenwetter in der Küche sitzen sah.
»Es ist das
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