München - 2030
immer gewusst, dass in ihnen ein anständiger Kerl steckt.«
Victor entspannte sich etwas und horchte auf, was als nächstes kommen würde.
»Ich bin in Rente gegangen«, sagte Brenninger schließlich.
»Ich habe vorgesorgt: Rentenversicherung Präsident-Plus, inklusive Pflegesatzanpassung. Ich wohne jetzt auf Ebene 4 – und dort habe ich gehört habe, dass sie hier nun ihren Dienst verrichten. Die ganze Station redet schon von ihren Künsten als Rollatormechaniker. Daraufhin bin ich gleich mal hergekommen.« Brenninger strich zärtlich über seinen Rollator. Dann sah er mit bittender Miene zu Victor.
»Wo sollte er denn in besseren Händen sein, als bei ihnen?«, sagte Brenninger.
»Eigentlich fehlt ihm ja nichts, dennoch dachte ich mir, dass sie vielleicht einmal einen Blick darauf werfen könnten?«
Als Victor und Charly gegen Abend die Straße zu ihrem Haus einbogen, sahen sie in einigen Metern Entfernung, wie Susann gerade ihren Yogalehrer verabschiedete. Dieser hatte Susann, wie jedes Mal nach dem Yogaunterricht nach Hause begleitet. Sie gab ihm zum Abschied einen Kuss. Es war zwar schon dunkel geworden und Victor und Charly hatten es nur schemenhaft wahrgenommen, aber gesehen hatten sie es. Victor versetzte es einen Stich ins Herz.
»Ich dachte bei euch sei wieder alles in Ordnung?«, sagte Charly betreten, der zwar mitbekommen hatte, dass sich Susann und Victor in der letzten Zeit häufig gestritten hatten, aber seitdem Victor nun seinen Lebensunterhalt nicht mehr mit Rollatordiebstahl bestritt, war er der Annahme zwischen den beiden hätten sich die Unstimmigkeiten wieder eingerenkt.
Victor hob hilflos die Achseln und ließ den Kopf hängen.
Als Charly sah, wie sehr Victor die Sache mitnahm, versuchte er ihn wieder aufzumuntern.
»Es muss nichts zu bedeuten haben«, sagte er, »wahrscheinlich musst du dir gar keine Sorgen machen.« Victor tat einen Seufzer, und Charly hatte das Gefühl, als wäre sein Freund plötzlich um zehn Jahre gealtert. Alle Fröhlichkeit war von ihm gewichen.
»Ich geh auf mein Zimmer«, sagte Victor, als sie im Haus waren und er wirkte dabei so am Boden zerstört, wie ihn Charly noch nie gesehen hatte.
Kapitel 5
DIE MORPHONISCHE STATION
Am nächsten Tag kam Charly gegen elf Uhr vormittags in Victors Werkstatt.
»Ich soll dich von Arno fragen, ob du mir helfen kannst drei Betten von Ebene 20 zu holen und hierher zu bringen. Er selbst kann nicht«, erklärte Charly, »Arno hat sich den Ischias Nerv eingeklemmt.«
»Ja natürlich«, erwiderte Victor hilfsbereit, der Arno bereits am Morgen über den Gang schleichen sehen hatte.
»Das ist ne’ Schwachstelle bei ihm, alle paar Monate erwischt es ihn mal«, sagte Charly mitfühlend.
»Leider hat die Sache auch einen Haken«, fuhr Charly fort, »der Highspeed-Schrägaufzug ist ausgefallen und wir müssen jeweils von einer Ebene zur anderen den elektrischen Fahrsteig benutzen – das wird ne’ mordsmäßige Anstrengung werden.«
»Ich war sowieso noch nie in in den unteren Stockwerken«, bemerkte Victor, dem es willkommen schien, nun auch die übrigen Etagen von Haus Sonnenschein kennenzulernen.
»Da kommt man auch normalerweise nicht rein. Die unteren Ebenen haben einen höheren Sicherheitsstandard. Aber ich hab Arnos Karte geliehen bekommen«, äußerte Charly und hielt Arnos Plastikausweis in die Höhe.
»Vielleicht sollten wir Ben und Didi mitnehmen?«, fragte Victor.
Charly warf einen abschätzenden Blick zu den beiden.
»Ja, du hast recht«, stimmte er dem Vorschlag zu. »Wir können ja jeder ein Bett hochbringen, und Ben und Didi schieben eines gemeinsam. Dann reicht es, wenn wir nur einmal gehen.«
Kurz darauf waren Victor, Charly, Ben und Didi unterwegs in Ebene 20, wo sich die Lagerräume von Haus Sonnenschein befanden. Sie machten etwas langsam, damit Didi mithalten konnte, der mit seinem lahmen Bein nicht so schnell war.
Ebene 5 bis Ebene 9 sahen beinahe alle identisch aus. Besonders die Ebenen 5 und 6 hinterließen einen guten Eindruck. Hier waren die ehemaligen Handwerker untergebracht, die neben der Rentenversicherung noch eine private
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