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München - 2030

München - 2030

Titel: München - 2030 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Golfidis
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am Rande für ihn. Denn potentielle neue Konkurrenten, die sich auf die Szene drängten, waren nicht gern gesehen und man entledigte sich ihnen in einem günstigen Augenblick, bevor sie einem das Geschäft vermiesten.
    Victor war sich nicht sicher, ob er nicht schon zu spät war. Vielleicht hatte Pillen-Ede seine Geschäfte für diesen Tag schon erledigt und war bereits Nachhause gegangen. Victor ging ein paar Mal den Bahnhof auf und ab. Zweimal sah Victor ein paar Alte zusammenstehen, doch jedes Mal wenn er etwas näher kam, war Pillen-Ede nicht unter ihnen. Schließlich entschloss er sich, wieder umzukehren.
    Gerade als er zum Südausgang hinauswollte, blieb ihm fast das Herz stehen. Pillen-Ede kam ihm entgegen. Er schob einen Rollator vor sicher her und war wie zuletzt von einer Anzahl von Alten umgeben. Victor schaffte es gerade noch sich rechtzeitig zur Seite zu drehen und in eine Schaufensterauslage zu schauen. Keine zwei Meter von ihm entfernt ging Pillen-Ede mit seinem Gefolge an ihm vorüber. Victors Herz schlug ihm bis zum Hals hinauf und es lief ihm eiskalt den Rücken runter. Als Pillen-Ede auf gleicher Höhe wie Victor angelangte, schien es einen Moment so, als würde er innehalten und Pillen-Edes Kopf drehte sich kaum merklich zu Victor hin – Victor hielt den Atem an – doch dann ging er weiter, gefolgt von ein paar gebrechlichen Alten, die ihm auch diesmal, wie lästige Schmeißfliegen, nicht von der Seite wichen.
    Victor atmete auf als sie um die Ecke verschwanden und folgte ihnen hinterher. Die Gruppe der Alten bewegte sich so langsam, dass es ihm nicht schwerfiel, an ihnen dran zu bleiben. Victor folgte in einem gehörigen Abstand, damit niemand mitbekam, dass er ihnen nachstellte. So blieb er immer wieder vor Schaufenstern stehen und betrachtete die Auslagen, oder studierte die Fahrpläne, die in Schaukästen ausgestellt waren. Nach einer Zeit bekam er mit, wie sich die Gruppe in Richtung Ausgang bewegte. Gemächlich schlenderte Victor hinterher. Draußen glaubte er sie schon verloren zu haben, doch dann sah er an der Bushaltestelle einige der Alten stehen, die Pillen-Ede zuvor begleitet hatte. Jetzt sah er auch Pillen-Ede. Dieser hatte sich im Wartehäuschen niedergelassen und war in eine Zeitung vertieft. An der Haltestelle standen mehrere Alte, sodass es niemand verdächtig vorkam, als sich Victor, das Gesicht unter der aufgeschlagenen Kapuze verborgen, im Abstand von etwa zehn Metern zu Pillen-Ede und seinem Gefolge, unter sie mischte. Ein Paar Minuten später fuhr der Bus heran. Es war einer dieser Langbusse mit drei Einstiegsmöglichkeiten. Victor sah, wie sich Pillen-Edes Begleiter zu den vorderen Türen begaben, um ihm ein Durchkommen zu erleichtern, indem sie die anderen Fahrgäste zur Seite drängten. Nachdem Pillen-Ede vorne Platz genommen hatte, stieg Victor an der hinteren Türe zu. Der Bus war zur Hälfte gefüllt und er fand sogar einen freien Fensterplatz. Während der Fahrt leerte sich der Bus nach und nach immer mehr. Er fuhr Richtung Hasenbergl, eine Gegend in der sich Victor überhaupt nicht auskannte und die nicht gerade den besten Ruf genoss. Schon seit den siebziger Jahren war das Hasenbergl als Ghetto verrufen. Doch in der Zwischenzeit, seit der Überalterung, hatte sich der Ruf noch einmal verschlechtert. Jetzt war es brandgefährlich dort. Es wurde erzählt, es sei unmöglich des Nachts durch das Viertel zu gelangen ohne nicht zumindest einmal ausgeraubt zu werden. In einigen Zeitungsartikeln hatte Victor gelesen, dass die Räuber ihren Opfern alles gestohlen hatten, was sie am Körper trugen. Sogar war in einem Fall von Unterwäsche die Rede. Victor spürte wie ihm ein ungutes Gefühl hochstieg.
    Doch dann kam Bewegung in die Gruppe der Alten, die Pillen-Ede umgaben. Ein paar von ihnen waren aufgestanden und formierten sich am vorderen Ausstieg. Die Haltestelle Weyprechtstraße zählte noch zum Stadtviertel Harthof, welches als etwas gemäßigter galt. Jetzt stand auch Pillen-Ede von seinem Platz auf. Zeitgleich erhob sich Victor und begab sich an die hintere Türe. Einer der Gehilfen nahm Pillen-Edes Rollator und trug ihn hinaus. Zwei andere griffen Pillen-Ede unter die Arme und stützten ihn, während sie ihm durch die Türe halfen. Draußen blieb die Gruppe stehen und wartete bis der Bus abfuhr, dann überquerten sie die Straße. Zur gleichen Zeit verließ Victor den Bus, wartete ebenfalls und ging ihnen dann nach. Er schlug jedoch nicht genau denselben Weg ein,

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