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Muenchen - eine Stadt in Biographien

Muenchen - eine Stadt in Biographien

Titel: Muenchen - eine Stadt in Biographien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Sperr
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kurzweilig, mit psychologischem Tiefgang.
    SEIN MARKENZEICHEN WAREN TENNISSCHUHE
    Mittlerweile ist die SZ mit ihrem Stammhaus weit hinaus an den Stadtrand, nach Steinhausen, gezogen und die AZ in den vierten Stock der »Neuen Hopfenpost« gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Die Zeitungsmeile in der
Sendlinger Straße
gibt es jetzt nicht mehr. Keine Kommunalberichterstatter mehr, die nach der Stadtratssitzung im Rathaus über den Marienplatz oder den Rindermarkt flitzen, vorbei am schlendernden
Sigi aus Bronze
28 ( ▶ E 6 ) . Keine Feuilletonkritiker mehr, die sich beim Espresso im Stehen über eine Uraufführung in den Kammerspielen in die Haare kriegen. Und kein
Michael Graeter
mehr auf dem Sprint zum Taxistand. Der durch Helmut Dietls Fernsehserie »Kir Royal« geadelte Klatsch-Kolumnist hat viel gelernt vom väterlichen Kollegen und Freund Sigi Sommer. Dass die großen Zeitungshäuser nicht mehr im Zentrum der Stadt sind, bedeutet einen großen Verlust für die intellektuelle Vitalität der zweitgrößten Verlagsstadt der Welt.
    Es heißt, der Sigi Sommer sei im Privatleben ein rechter Casanova gewesen. Sein zweiter Roman hatte bezeichnenderweise den Titel »Meine 99  Bräute«. Wie er es anstellte, dass er immer unterhalten wurde, wenn ihm danach war, wissen nur die, die dabei waren. Die Frauen mochten ihn, obwohl – oder weil – er ein furchtbarer Grantler sein konnte. An jungen, hübschen »Gschpusis« mangelte es ihm nie. Ob das nur an seinem schneidigen Äußeren lag, irgendwo zwischen britischem Hochadel und Wurzelsepp? Oder weil er der Erste war, der stur seine Tennisschuhe trug, auch wenn der Dresscode Lackschuhe vorschrieb? Die Tennisschuhe waren sein Markenzeichen, lange bevor sich das Minister wie Joschka Fischer oder Filmproduzenten wie Bernd Eichinger trauten.
    Mit seinem Chef, der Verlegerlegende Werner Friedmann, hat er eine Zeit lang seine Wohnung in der Wurzerstraße geteilt. Wer jetzt an eine WG denkt, liegt falsch, es handelte sich ja nur um ein Zimmer. Während Sigi Sommer als »Blasius« draußen spazieren ging, bot sein Appartement dem Chef Schutz vor Schnüfflern. Als sie beide in der Sache vor Gericht kamen – es gab noch den Kuppelparagraphen! –, verteidigte sich der nibelungentreue Sommer: »Ich kann meinen Chef doch nicht in den Park schicken.«
    AUGUSTINER-KELLER 4 ▶ A 4
    Arnulfstraße 52 , Bahnhofsviertel
    www.augustinerkeller.de
    ▶ S-Bahn: Hackerbrücke, Tram: Hopfenstraße
    SIGI-SOMMER-SKULPTUR 28 ▶ E 6
    vor dem Haus Rosenstraße 8 , Altstadt
    ▶ U- und S-Bahn: Marienplatz

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    FRANZ JOSEF STRAUSS
    1915 – 1988
    Ein politisches Urgestein sei er gewesen, sagen seine Verehrer – und auch die Gegner von damals nicken widerspenstig. Er war ein Sohn seiner skandalsüchtigen Stadt, die ihm nie eine politische Heimat war.
    D er mit den Schultern, ein Heben und Senken im Rhythmus der abgehackten Sätze, die da aus seinem Mund kommen. Der ganze Körper wippt, der Kopf halslos auf dem Rumpf, ein ständiges Auf und Nieder am Rednerpult. Beide Hände am Revers der Jacke eingehängt, auf, nieder. Schwitzt. Brüllt. Lacht und freut sich über jede gelungene kracherte Formulierung. Das Gesicht glänzt. Vor Schweiß und Selbstzufriedenheit. Was er sagt, ist hundertprozentig wahr und richtig, vor allem für ihn selbst. Ein Redemanuskript braucht er nicht.
    Oft ist das, was er sagt, gar nicht so wichtig, nur wie er es sagt. Mit rhetorischer Wollust, volksnah und folkloristisch, mit Spaß an der Freud, demagogisch bis in die Knochen. Es sind Sätze mit Ausrufezeichen am Ende. Grob geschnitzt und drastisch, gespickt mit lateinischen Redewendungen und historischen Verweisen.
    Wo auch immer man ihn lässt, führt er vor, was er weiß, was er gelernt hat, zu was man es bringen kann, wenn man nur will. Wer nicht mithalten kann bei der Schau der intellektuellen Eitelkeit, wird vorgeführt und lächerlich gemacht. Nur wenige konnten ihm da das Wasser reichen, Herbert Wehner war einer von ihnen, beider Rededuelle sind inzwischen legendär. Strauß entwickelt seine Gedanken nicht beim Reden, er haut das Resultat raus. Vielleicht weil er der Meinung ist, dass Denkprozesse am Schreibtisch oder auf der Jagd oder am Steuerknüppel seines Flugzeugs stattfinden sollen, nicht in der Öffentlichkeit, nicht am Rednerpult.
    Wie ein König ist er zu Grabe getragen worden. Über 150 000  Trauergäste folgten dem prächtigen Pferdegespann mit dem in die weiß-blaue Fahne gehüllten Sarg. Viele

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