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Muenchen - eine Stadt in Biographien

Muenchen - eine Stadt in Biographien

Titel: Muenchen - eine Stadt in Biographien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Sperr
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von ›blöden Seppln‹ ansieht.«
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    Schellingstraße 54 , Maxvorstadt
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    SIGI SOMMER
    1914 – 1996
    Der Münchner Journalist und Schriftsteller war ein großer Flaneur. Er verkörperte wie kein anderer das Lebensgefühl dieser Stadt – sich treiben lassen zu den schönen Dingen des Daseins …
    D er Münchner ist ja bekanntlich nicht so emsig und strebsam, wie man es anderswo in der Republik ist. Er mag gern herumsitzen und herumreden oder herumgehen und herumschauen. Er ist in Wirklichkeit der geborene Flaneur, auch wenn er es nicht weiß, weil er das Wort nicht kennt. Eben einer, der sich die Zeit vertreibt und dabei nicht einmal ein schlechtes Gewissen hat. Da fügt es sich, dass München irgendwie zu Italien gehört, was man schon an der Architektur sieht. Wenn es warm ist – zum Flanieren muss es sonnig, doch nicht zu heiß sein –, stehen überall in der Stadt Stühle und Tische vor den Cafés und unter den Kastanien im Biergarten die unbequemen Holzbänke ohne Lehne.
    Gut eignet sich die Saison zwischen Mai und Oktober, wenn sich unter den leichten Kleidern der Damen Rundungen abzeichnen, die dann auf einen bewundernden Pfiff mit kühler Verachtung oder einer Watschn reagieren – oder mit einer Verabredung für den Abend. München leuchtet.
    In anderen deutschen Städten wird tags gearbeitet und nachts geschlafen. Das mag der Münchner nicht so, lieber geht er herum und schaut sich die anderen an, die dasselbe tun, oder er sitzt am Chinesischen Turm, im
Augustiner-Keller
4 ( ▶ A 4 ) oder im Hirschgarten, wo er es mühelos den ganzen Tag aushält. Weißwurst-Essen vor dem 12 -Uhr-Läuten, danach ist Mittag. In den Gasthäusern ist dann kein freier Platz, nicht drinnen und nicht draußen, auch nicht auf dem Viktualienmarkt, nicht beim Italiener, nicht beim Franzosen oder beim Thai.
    Ja, arbeitet man hier denn nicht?, mag der Fremde fragen. Schon, aber man lässt es sich nicht anmerken. Bricht dann unversehens der Abend herein, geht der Münchner in einen der großen Bierkeller. Den Keller sucht der Fremde vergeblich, die Biergärten heißen so, weil man früher über dem Keller, wo das Bier gelagert wurde, Kastanienbäume zur Kühlung pflanzte. Erst später stellte man Bänke und Tische auf. Die Biergartensaison ist die glückliche Jahreszeit. Und die Frage, warum es bereits ab fünf Uhr nachmittags nirgendwo einen freien Platz gibt, ist leicht zu beantworten: Weil der Münchner, wie überhaupt der Südländer, am liebsten außer Haus herumsitzt und herumredet.
    Im Augustiner-Keller hat er bei gutem Wetter fast täglich gegessen, der Sommer Sigi. In der Nähe von »Kastanie 13 «, wo die Hendl sich am Spieß drehen und die frische Maß gezapft wird. Die Maria hat sie ihm hingestellt, und wenn er gut drauf war, durfte sie auch mal einen Schluck nehmen. Für die, die an seinem Tisch sitzen durften, mit ihm die Brotzeit teilten oder gar seine Bierzeche bezahlten, war er für manche Berühmtheit, bis hin zum Bundespräsidenten der 1970 er-Jahre Walter Scheel, das Maß aller Münchner Dinge. Und wenn ihm dann irgendwann alles zu viel wurde, dann stand der Sigi einfach auf – und schlenderte davon.
    Er war der Münchner Flaneur par excellence. Nur, dass das Flanieren sein Beruf war und er alles aufschrieb, was er wahrnahm. Immer wieder blieb er stehen, nahm seinen kleinen Block aus der Jackentasche und notierte, wie die Leute redeten, wie es roch und wie sich die Stadt von innen anfühlte. »Blasius der Spaziergänger« hieß seine Kolumne, die fast 40  Jahre immer freitags in der Münchner »Abendzeitung« erschien. Liebenswerte Grantelei auf hohem Niveau. Die kleinen Geschichten – es waren an die 6000  – hat er wegen der paradiesischen Ruhe am Südfriedhof geschrieben, nicht am Schreibtisch in der Redaktion. Ein Kollege nannte Sommers Milieubeobachtungen »Volkstheater auf ein paar Quadratzentimeter Papier«.
    MELANCHOLIKER, STENZ UND MACHO
    Über Jahrzehnte hinweg nahm er seine Stadt unter die Lupe, nicht mit dem sezierenden Blick des Außenstehenden, sondern als einer von mittendrin, aber mit Distanz, boshaft und sentimental, scharfzüngig,

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