Muenchen - eine Stadt in Biographien
weinten, Bayern war fassungslos, die Republik – auch seine Gegner – unter Schock. Das politische Deutschland ohne Strauß war vielen gar nicht mehr vorstellbar. Und dann auch noch ein so banales Ende, schlecht sei ihm geworden, umgefallen sei er, tot. Zwischen Oktoberfestbesuch und Hirschjagd bei seinem Freund
Fürst Thurn und Taxis.
Zwei Tage haben die Ärzte noch um sein Leben gekämpft, aber es war nichts mehr zu machen. »Er hat wie eine Eiche gelebt. Und er wurde wie eine Eiche gefällt« , sagte
Josef Kardinal Ratzinger,
der spätere Papst Benedikt XVI ., als er im Kreise der Familie in Rott am Inn an der Familiengruft stand und die Trauerrede hielt.
Da war
Marianne Strauß
bereits vier Jahre tot, und Tochter
Monika Hohlmeier
sagte später in einem Interview, es könnte sein, dass die Mutter ihren Einfluss im Himmel geltend gemacht habe, dass ihr der Ehemann bald nachfolgen möge. Liebevoll und zart klang das aus dem Mund der Tochter, die als CSU -Politikerin auch ganz anders konnte. Ein sehr lieber, ein umsichtiger Familienmensch soll ihr Vater gewesen sein, ein lustiger, weicher, mit dem man alles machen konnte als Kind.
Der Autounfall seiner Frau Marianne hat ihn für ein paar Monate niedergestreckt. Nachts allein auf nebelnasser Straße, ein Baum, man hat sie erst am nächsten Morgen gefunden. Ein einsamer Tod. Die drei Kinder hatten Angst, dass der Vater es nicht verkraften wird, dass er nie wieder auf die Beine kommt. Er trauerte in tiefem Schmerz, der Boden unter den Füßen war ihm abhanden gekommen, und dann, Monate später nach einer Kur, war er wieder da. Er wollte sogar noch einmal heiraten und dafür die Ehe seiner Auserwählten, der Österreicherin
Renate Piller,
von der Kirche annullieren lassen, um sie katholisch heiraten zu können. Er war wieder der Alte. Mit dem Kopf durch die Wand.
FJS – GOURMET UND GOURMAND
Die CSU -Zentrale in der Nymphenburger Straße 64 heißt jetzt Franz-Josef-Strauß-Haus. Ob Strauß jemals in dem dort ansässigen Gasthaus Löwe und Raute, seit Kurzem in Franz Josef umbenannt, einmal gespeist hat, darf bezweifelt werden. Strauß war ein Gourmet. Und ein Gourmand, das auch. Er kehrte dort ein, wo es gut zu essen gab, nicht nur die bayerischen Grundnahrungsmittel Schweinsbraten und Bier, die man mit einem Mannsbild seiner Statur stereotyp in Verbindung bringt. Er aß gern richtig gut. Italienisch zum Beispiel, in der berühmten
Osteria Italiana
22 ( ▶ E 1 ) in der heimatlichen
Schellingstraße,
wo sich das Ladengeschäft seines Vaters, die Fleischhauerei Strauß, befand, oder bei
Feinkost Käfer
in Bogenhausen, wo es zwar oft schamlos protzig zugeht, wo man aber seit jeher ausgezeichnet essen kann, wenn Geld keine Rolle spielt. Gute Küche, edler Wein, das war für den barocken Strauß wichtig. Da war er Mensch, da durfte er’s sein.
Franz Josef Strauß, der Metzgersohn, war Klassenprimus, Abiturbester, und auch beim Lehramtstudium der Altphilologie und Geschichte war er Einserstudent. Dann musste er in den Krieg, auch nach Stalingrad, doch Nationalsozialist und Parteigänger im Dritten Reich war er nicht. Nach dem Krieg ist sein Aufstieg verbunden mit zahllosen politischen Affären und Skandalen, dubiosen Geschäften und zweifelhaften Freundschaften, auch zu autoritären Staatspräsidenten und Diktatoren.
Seine politische Karriere in den 50 er-, 60 er- und 70 er-Jahren des vorigen Jahrhunderts verlief rasant: Mitglied des ersten deutschen Bundestags, seit 1949 gehörte er 29 Jahre ohne Unterbrechung dem Parlament an, er war Stellvertretender Vorsitzender der CSU , Mitglied des Europaparlaments, Bundesminister für besondere Aufgaben, für Atomfragen, für Bildung und Forschung, Verteidigungsminister, Minister für innerdeutsche Fragen und Finanzminister. 1978 wurde er bayerischer Ministerpräsident; da residierte er in seiner Heimatstadt München, die fast immer vom politischen Gegner regiert wurde. Nur eines ist ihm versagt geblieben, sein größter Wunsch, deutscher Bundeskanzler zu werden. Das Schlimmste für ihn war dabei, dass es einer aus dem eigenen Lager wurde, den er verachtete, den er für tumb und unfähig gehalten hatte: Helmut Kohl, der es dann 16 Jahre lang bleiben sollte.
Seine Skandale haben ihn als Politiker nicht zu Fall bringen können, mit Ausnahme der Spiegel-Affäre. Es war 1962 , in der Zeit der Kuba-Krise, Strauß war Verteidigungsminister, und die ganze Welt befürchtete, dass aus dem Kalten Krieg ein heißer werden
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