Münsterland ist abgebrannt
Beziehungen. Wenn man merkt, dass man mit einem Mann glücklich ist und es noch eine Weile andauern kann, besteht die Möglichkeit, ihn der Familie vorzustellen. Dann organisiert die Dabu, die Hausherrin, ein großes Essen, und alle beschnuppern den möglichen Vater ihrer zukünftigen Nichten, Neffen und Enkel. Und manchmal, bei sehr langen Beziehungen, wenn der Mann zu alt oder zu krank ist und die Frau nicht mehr besuchen kann, kommt es sogar vor, dass die Frau ihn in ihre Familie holt, weil sie sich um ihn kümmern möchte. Doch dazu braucht sie die Zustimmung ihrer Familie.»
«Und wie ist das bei dir? Hattest du schon … langfristige Beziehungen?»
Yasi rollte sich auf ihn, so überraschend, dass er keine Gelegenheit bekam, zu protestieren. «Du willst alles erfahren, wie? Ja, ich hatte eine. In Hamburg. Er war mein Professor und verheiratet. Ein paar Jahre habe ich ihn in mein Blumenzimmer gelassen. Dann habe ich seine Tasche an die Tür gehängt.»
«Das heißt?» Bastian presste die Worte hervor, nicht so sehr wegen des Gewichts, das auf ihm lag, sondern wegen der Bewegungen, die Yasi machte.
«Das ist unsere Metapher für Schluss machen, dem Typ die rote Karte zeigen.» Yasi bewegte ihren Unterleib stärker. «Aber reden wir doch nicht immer nur von mir. Wie bist du denn unterwegs?»
«Ich … ich bin solo.»
«Schon lange?»
«Seit … ah … zwei Jahren.»
«Und du träumst von einer Frau, einer Schar Kinder und einem Häuschen im Grünen?»
«Oh …»
«Okay, diskutieren wir später weiter.»
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Bastian erwachte aus einem traumlosen Schlaf. Kaffeeduft stieg ihm in die Nase. Yasi stand neben dem Bett und hielt ihm eine Tasse hin. «Der frühe Vogel hat Gold im Mund.»
«Was?»
«Deutsches Sprichwort. Und das hier ist zwar kein Frühstück, aber ich hoffe, du weißt es trotzdem zu schätzen.»
«Wie spät ist es?»
Yasi guckte irritiert. «Acht Uhr.»
«Scheiße.» Er schlug die Bettdecke zurück und sprang auf.
«Ich hätte etwas mehr Begeisterung erwartet.»
Bastian suchte seine Hose. «Ich meine nicht den Kaffee. Meine Kollegin holt mich um acht Uhr ab. Zu Hause.»
Wie zur Bestätigung klingelte das Handy. Susanne. Bastian meldete sich: «Ich bin gleich da.»
«Sag mir einfach, wo du
jetzt
bist, dann komme ich vorbei.»
Er überlegte fieberhaft. «Warendorfer Straße. Vor dem Cinema.»
Nachdem er sein T-Shirt übergestreift hatte, nahm er Yasi die Tasse ab und probierte einen Schluck. «Ich liebe starken Kaffee. Italienisch?»
«Die Kaffeemaschine hat mich einen Monatslohn gekostet. Du willst nicht, dass deine Kollegin erfährt, wo du die Nacht verbracht hast?»
«Vergiss nicht: Sie ist Polizistin. Aus dem Wo zieht sie ihre Schlüsse. Und wenn du wüsstest, wie schnell sich Gerüchte im Präsidium verbreiten, würdest du auch nicht wollen, dass sie es erfährt.»
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Als er einstieg, gab ihm Susanne mit einem giftigen Blick zu verstehen, dass sie ihn durchschaute. «In letzter Zeit schläfst du selten zu Hause.»
«Gestern war ich bei meiner Mutter in Horstmar. Sie wird langsam dement.»
«Und heute Nacht?»
«Woanders.»
«Wohnt hier in der Nähe nicht diese Rechtsmedizinerin?»
Die Falle war so plump, dass Bastian sie trotz seines Schlafdefizits problemlos erkannte. «Keine Ahnung, wen du meinst.»
«Na, die Chinesin. Wie hieß sie noch gleich?»
«Khan?»
Susannes Lachen klang unecht. «Ich weiß, wie Männer aussehen, die von einer Frau kommen. Sie haben so ein verdammt selbstzufriedenes Grinsen im Gesicht.»
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Zwölf
Am Ende hatten sie an siebenundfünfzig Türen geklingelt, dreiunddreißig Personen angetroffen und zwei halbwegs brauchbare Hinweise erhalten. Bastian rechnete es Susanne hoch an, dass sie das Thema Yasi nicht wieder aufgriff, auch über Beziehungen, glückliche oder unglückliche, redeten sie nicht. Dafür kannte Bastian am Nachmittag, als sie nach Münster zurückfuhren, alle Marotten von Susannes schwer pubertierender Tochter, während er sich seinerseits über seine störrische Mutter beklagt hatte. Irgendwann fiel ihm auf, dass das Verhalten dieser beiden weiblichen Wesen gar nicht mal so unähnlich war. Wenn man im Alter, bei fortschreitender Demenz, wieder zum Kind wird, dachte Bastian, dann hatte seine Mutter wohl gerade das Stadium der Pubertät erreicht.
Manchmal unterhielten sie sich auch über den Fall, der sie in Schapdetten von Haus zu Haus gehen ließ. Der Brand, so viel schien sicher, war nur gelegt
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