Münsterland ist abgebrannt
und nach ab. Und ich wette, irgendwann stoßen wir auf die beiden Burschen. Dann brauchen wir nur noch ein bisschen Glück, einen Fetzen Papier, eine verschissene E-Mail, von mir aus ein Hemd, das nach Rauch stinkt, irgendwas, das sie mit Weigold in Verbindung bringt und uns die Begründung für einen Durchsuchungsbeschluss liefert. Und schwupps …», Fahlen fing mit der hohlen Hand eine imaginäre Fliege, «… sind sie von Zeugen zu Beschuldigten mutiert.»
Die Rede zeigte Wirkung. Auf die müden, von acht Stunden Klinkenputzen geröteten Gesichter stahl sich das eine oder andere Lächeln. Da war er, der Corpsgeist. Auch Bastian wusste plötzlich wieder, warum er dazugehören wollte. An ihnen lag es schließlich, dass das Chaos in Schach gehalten wurde, dass das Recht des Stärkeren auf Dauer keine Chance hatte. Denn was forderte die Zivilisation mehr heraus als Mord und Totschlag?
Der anschließende, nüchterne Bericht der Spurensicherer, die für die Dauer ihrer Untersuchung zur Mordkommission gehörten, versetzte dem Hochgefühl einen Dämpfer. Millitzke, der wie in Altenberge die Leitung der Untersuchung übernommen hatte, führte aus, dass man sich mit zwei Teams im Weigoldhaus von Raum zu Raum vorarbeite. Sicher sei bislang nur, dass der Brand im Erdgeschoss ausgebrochen sei, in der Küche und im Treppenhaus fänden sich die stärksten Brandschäden, man gehe daher davon aus, dass die Täter zwei Brandherde gelegt hätten. «In der Küche haben wir übrigens ein weiteres Opfer gefunden.» Millitzke aktivierte den Projektor, der ein Foto auf die Leinwand hinter seinem Kopf warf. Zu sehen war eine amorphe, schwarzweiß gefleckte Masse, aus der zwei Reihen Zähne herausragten. «Der Hund der Weigolds», erklärte Millitzke, «ein Foxterrier. Er wurde mit demselben Gegenstand erschlagen, der auch Frau und Herrn Weigold traf.»
«Woher wisst ihr das?», fragte Ruth Winkler.
«Weil wir den Gegenstand gefunden haben.» Millitzke klickte das nächste Foto an die Wand: Eine Metallstange, die unversehrt zwischen verkohlten Möbelstücken lag. «Wir konnten drei verschiedene Blutspuren sicherstellen, von Herrchen, Frauchen und Hund. Und um die nächste Frage gleich vorwegzunehmen: Nein, die Stange weist keine Fingerabdrücke auf. Das hätte mich auch sehr gewundert, so umsichtig, wie die Täter ansonsten vorgegangen sind.»
«Lässt sich etwas zu der Stange sagen?», fragte Fahlen.
«Ein Metallrohr, wie man es in jedem Baumarkt kaufen kann. Und ihr dürft nicht vergessen, es stammt womöglich aus dem Weigold’schen Haushalt. Dann führt es uns nirgendwohin.»
«Mehr habt ihr nicht?», hakte Fahlen nach.
«Tut mir leid, Dirk. Aber wir sind auch erst am Anfang, ich schätze, dass wir eine ganze Woche brauchen.»
In die allgemeine Aufbruchstimmung hinein hob Willschrei, der alte OK -Mann, der sich mit Mergentheims Bank beschäftigt hatte, den Arm. «Ich hab da noch was.»
«Ruhe bitte!», kommandierte Fahlen. «Ja, Norbert?»
«Ich weiß nicht, ob es von Bedeutung ist …»
Toller Anfang, dachte Bastian. Einige in der Runde, die geistig schon auf dem Nachhauseweg waren, verdrehten die Augen.
«Mir ist aufgefallen, dass Weigold über ein beträchtliches Vermögen verfügte. Für einen Professor.»
«Und weiter?», drängte Fahlen.
«Ich habe ein bisschen nachgeforscht und gelesen, dass ihm ein Teil von Lambert-Pharma gehörte, einem mittelständischen Unternehmen in Lengerich, das pharmazeutische Produkte herstellt.»
«Was ist daran ungewöhnlich?», warf Ruth Winkler ein. «Der Mann war Pharmakologe, er wird seine eigene Forschungsarbeit zu Geld gemacht haben.»
«So weit, so nachvollziehbar», sagte der OK -Mann. «Aber dann ist mir eingefallen, dass ich den Namen Lambert-Pharma erst vor kurzem auf dem Schirm hatte, nämlich bei der MK Altenberge, sprich Mergentheim. Mergentheim gehörte ebenfalls ein Teil von Lambert-Pharma.»
«Ist das nicht die klassische Klientel der Münsterländischen Privatbank?», fragte Susanne. «Die Bank ist auf Mittelständler spezialisiert.»
«Wir reden hier nicht von der Bank, sondern von dem Privatmann Carl Benedikt Mergentheim.»
«Hast du das genauer?», fragte Fahlen.
«Ja.» Der OK -Mann entfaltete ein DIN -A 4 -Blatt und strich es glatt. «Lambert-Pharma hat drei Besitzer. Der größte Anteil, nämlich fünfzig Prozent, liegt bei Helene Lambert. Mergentheim hielt dreiunddreißig Komma drei Prozent, Weigold sechzehn Komma sieben. Sieht so aus, als hätte es
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