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Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Kehrer
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Inhaltsübersicht]
Siebzehn
    Etwas tropfte ihm auf die Nase. Auch die Stirn bekam einen Treffer ab. Dazu ein gewaltiger Donnerschlag. Dann begann ein Prasseln, das schneller und lauter wurde. Als ob jemand eine gewaltige Dusche aufgedreht hätte. Bastian öffnete die Augen. Über ihm hing ein grünes Blätterdach, das den Regen abfing. Noch. Bald würde es hier unten auf dem Waldboden nass werden. Er musste aufstehen. Sofort. Auch wenn es schwerfiel.
    Bastian kam auf die Beine und lehnte sich an den Stamm des Baumes, unter dem er eingeschlafen sein musste. Es dämmerte bereits. Nach seiner Einschätzung war es früher Morgen, fünf oder sechs Uhr.
    Er fühlte sich erbärmlich schwach. Zu schwach, um die Gedankensplitter und Bilder der letzten vierundzwanzig Stunden auszuschalten, die ihn alle auf einmal überfielen. Der Verdacht gegen Yasi, sein unrühmlicher Abgang aus der Mordkommission, der Brand in Horstmar, Hilde im Krankenwagen, dem Tod näher als dem Leben. Bastian atmete tief durch. Der verdammte Restalkohol, der in seinem Blut zirkulierte, machte ihm zusätzlich zu schaffen, bei jeder Bewegung prallte das Gehirn schmerzhaft gegen den Schädelknochen.
    Selbstmitleid half jetzt nicht weiter. Er musste sich dem stellen, was von ihm erwartet wurde. Als Sohn, als Bruder, als Freund, als Polizist, als was auch immer. Wie er das bewältigen sollte, war ihm unklar. Allerdings gab es auch keine Ausrede, es nicht zu versuchen. Einfach nichts tun und darauf hoffen, dass ihn ein Blitz traf, war eine schwache Alternative.
    Mit dem nächsten Gewitterdonnern machte er sich auf den Weg. Daran, wie er hierhergekommen war, hatte er keine Erinnerung mehr. Das letzte Bild, das sein Gedächtnis preisgab, war der Anblick der Feuerwehrleute vor seinem Elternhaus. Männer mit vor Anstrengung verhärteten Gesichtern, die ihn verständnislos anstarrten. Im Nachhinein ahnte er, wie jämmerlich er gewirkt haben musste. Ein Betrunkener, der vor dem ausgebrannten Haus seiner Mutter herumtorkelte. So hilfreich wie ein geplatzter Reifen auf der Autobahn.
    Der Fußpfad durch das
Herrenholz
kam ihm bekannt vor. Und dann entdeckte er auch schon die ersten Häuser zwischen den Bäumen.
    Im Tageslicht sah die verkohlte Ruine noch trostloser aus als in der Nacht. Kaum vorstellbar, dass hier bis vor wenigen Stunden jemand gewohnt hatte. Das Haus war tot, seelenlos wie eine Leiche im Straßengraben. Bastian sog Luft durch die Nase ein. Ja, da war der Geruch, den er hasste, der Geruch nach Verbranntem.
    Ein rot-weißes Absperrband flatterte auf dem Grundstück, ein provisorisch aufgestelltes Schild warnte vor dem Betreten des Hauses. Doch auch ohne diese Hinweise wäre Bastian nicht auf die Idee gekommen, durch den verkohlten Türrahmen zu gehen und sich die Überreste anzuschauen. Nicht jetzt jedenfalls. Später vielleicht. Wenn er ehrlich war, hoffte er, dass Mia sich darum kümmern würde sicherzustellen, was noch von Belang und nicht verbrannt war. Den Rest sollte der Abrissbagger erledigen. Bastian wollte nichts, aber auch gar nichts aus diesem Haus behalten.
Asche zu Asche, Schutt zu Schutt.
    Frau Kemminger, älter und zittriger denn je, öffnete im Bademantel die Tür, als er klingelte. Vermutlich hatte sie in der Nacht kein Auge zugemacht. «Herr Matt, wo waren Sie denn? Sie sehen ja furchtbar aus.»
    Bastian versuchte zu lächeln. «Haben Sie etwas von meiner Mutter gehört?»
    «Ja, Mia hat mich am späten Abend angerufen. Hilde geht es den Umständen entsprechend. Sie ist bei Bewusstsein, aber anscheinend sehr durcheinander.»
    Bastian nickte. «Dürfte ich Ihr Telefon benutzen? Ich brauche ein Taxi.»
    |||||
    Nach einer ausgiebigen Dusche, zwei Tassen Kaffee und einer Schmerztablette fühlte sich Bastian in der Lage, zum Krankenhaus zu fahren. Hilde lag in einem der Bettentürme der münsterschen Uni-Klinik, hatte er von Mia bei ihrem Telefonat vor einer halben Stunde erfahren. Mia war fast die ganze Nacht an ihrem Bett geblieben und erst am frühen Morgen nach Hause zurückgekehrt, um sich ein paar Stunden auszuruhen. Hilde werde sich freuen, ihn zu sehen, sagte Mia, sie habe schon nach ihm gefragt. Erleichtert registrierte Bastian, dass seine Schwester ihm keine neuen Vorwürfe machte. Vielleicht war sie auch bloß zu müde dazu.
    Er nahm den Aufzug und betrat die Station, in der man seine Mutter behandelte. Sie teilte sich das Zimmer mit zwei anderen Frauen. In ihrer Nase steckten zwei dünne Plastikschläuche, über die sie mit

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