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Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Kehrer
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hat.»
    «Dabei war er die treibende Kraft hinter allem», improvisierte Helene. «Wir anderen haben nur gemacht, was Vogtländer für richtig hielt.»
    Das war zwar eine bodenlose Gemeinheit, aber in ihrer lebensbedrohlichen Lage mussten solche Notlügen erlaubt sein.
    Die Blonde dachte nach. «Wie auch immer. Um Vogtländer kümmern wir uns später. Zuerst sind Sie an der Reihe.»
    Ein Klopfen an der Tür.
    Mit einer schnellen Bewegung sprang Rike hinter den Sessel und drückte Helene den Pistolenlauf an den Kopf. «Ein falsches Wort und Ihr Gehirn klebt an der Wand.»
    Erneutes Klopfen.
    «Sag was», zischte die Blonde in Helenes Ohr.
    «Wer ist da?»
    «Rafael», kam es dumpf aus dem Gang vor der Kabine.
    Helene rechnete damit, dass Rike sie zwingen würde, den Assistenten wegzuschicken. Während sie noch überlegte, wie sie in einem scheinbar unverfänglichen Satz eine versteckte Botschaft unterbringen sollte, bemerkte sie, dass die Blonde zur Kabinentür ging. Noch überraschender als ihre Gelassenheit war das siegessichere Lächeln, mit dem die Mörderin die Tür öffnete.
    Einen Moment später sah Helene die nackte Angst in Rafaels Augen. Die beiden jungen Männer, mit denen Rike auf die MS Albertina gekommen war, schoben den kreidebleichen Assistenten in die Kabine.
    Die ganze Zeit hatte Helene vermieden, daran zu denken. Jetzt sah sie den Abgrund direkt vor sich.

[zur Inhaltsübersicht]
Fünfundzwanzig
    Bastian hatte versagt. Es war ihm nicht gelungen, die Frau und den Jungen zu retten. Jetzt rannte er um sein eigenes Leben. Nur noch wenige Meter bis zum Fenster. Plötzlich schoss vor ihm eine Stichflamme aus dem Boden. Sie erfasste zuerst seine Hose, dann das T-Shirt. Bastian spürte das Feuer auf der Haut, er würde bei lebendigem Leib verbrennen.
    «He, was ist los?»
    Bastian schnellte hoch und schnappte nach Luft.
    «Alles in Ordnung?», fragte Yasi.
    Er nickte. «Ja.»
    «Du hast geschrien.»
    «Ein Albtraum.» Bastian atmete tief ein und aus, sein Herzrhythmus beruhigte sich.
    «Ziemlich heftig.»
    «Ich träume immer dasselbe.» Er legte sich wieder hin, das Kissen unter seinem Kopf war feucht vom Schweiß. «Früher jede Nacht, inzwischen nur noch drei- oder viermal in der Woche.»
    «Nun mach’s nicht so spannend!», forderte Yasi. «Lass dir doch nicht jedes Wort aus dem Hals ziehen.»
    Bastian erzählte von dem brennenden Haus, der Frau und dem Jungen. Und wie er selbst von den Flammen eingeschlossen wird. «Meistens wache ich an dieser Stelle auf. Bei der übleren Variante läuft der Traum noch ein Stück weiter, und meine Kleidung fängt Feuer – so wie heute Nacht.»
    «Hast du so etwas erlebt?», fragte Yasi.
    Das hatte er nun von seiner bereitwilligen Auskunft. «Müssen wir unbedingt jetzt darüber reden?»
    «Warum nicht?» Sie strich ihm über das Haar. «Ich will wissen, mit welchen Geistern der Vergangenheit ich im Bett liege. Verstehst du das nicht?»
    Bastian gab sich geschlagen. «Es war vor drei Jahren im Kosovo …», begann er zögerlich. «Ich hatte mich freiwillig gemeldet. Es ging darum, die mehr oder weniger demokratisch gewählte Regionalregierung bei der Ausbildung von Polizisten zu unterstützen.» Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Dann sprudelte es aus ihm heraus. «Wir waren in einer Stadt stationiert, in der noch relativ viele Serben lebten. Immer wieder kam es zu Konflikten zwischen Serben und Kosovo-Albanern. Eines Abends eskalierte die Situation. Zuerst fielen Schüsse, danach steckten die Albaner mehrere Häuser in Brand. Eines davon befand sich ganz in der Nähe unserer Unterkunft. Ich rannte auf die Straße und sah eine Frau und einen Jungen, die am Fenster im ersten Stock standen und um Hilfe schrien und –» Er stockte.
    «Und dann?», fragte Yasi vorsichtig.
    «Ich hoffte, die Feuerwehr würde kommen. Aber sie kam nicht. Vielleicht hatten die Feuerwehrleute Angst vor dem Mob. Ich wartete und wartete. Irgendwann hörte die Frau auf zu schreien. Eigentlich war es schon viel zu spät, aber ich bin dann doch noch rein ins Haus. Eine idiotische Tat. Alles stand in Flammen, auch das Treppenhaus. Es gab nicht die geringste Chance, nach oben zu kommen. Wahrscheinlich waren die beiden zu diesem Zeitpunkt längst tot.» Bastian drehte sich auf die Seite und betrachtete Yasi, die in einem dünnen schwarzen Nachthemd vor ihm hockte. «Beinahe hätte es mich dann auch noch erwischt. Die Decke krachte ein, und etwas Schweres traf mein linkes Bein. Ich fiel hin,

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