Münsterland ist abgebrannt
tatsächlich ein Bulle, zudem kannte er die Hintergründe. Er würde seinen norwegischen Kollegen schon klarmachen, dass es sich bei Helenes Tod um einen Mord handelte. Andererseits bedeutete das, dass sich wahrscheinlich alle Polizisten, mit Ausnahme einer Stallwache, gerade auf dem Schiff aufhielten.
Tines Haus war türkisfarben, ansonsten baugleich. Der Biologe drückte sich an die Hauswand und lugte die Straße hinauf. Einer der beiden Männer lungerte vor dem Mietwagen der drei herum, der andere Mann und die Frau waren nicht zu sehen. Gebückt lief Vogtländer zu Tines Allradmonster, das rückwärts in der Auffahrt parkte. Die paar Meter kosteten ihn alle Kraft. Auf der Beifahrerseite ging er hinter dem schwarzen Blech in Deckung. Gott sei Dank, das Auto war nicht verschlossen. Und der Schlüssel steckte!
Vogtländer kletterte auf den Fahrersitz und startete den Motor. Er sah, wie weiter oben auf der Straße der Typ sich umdrehte. Als Vogtländer losraste, wandelte sich der Gesichtsausdruck des Mannes von Überraschung in Wut.
|||||
Vor dem Sysselmannskontor, dem Amtssitz des Bevollmächtigten, stand kein Polizeiwagen. Wie Vogtländer vermutet hatte, waren alle Polizisten ausgeschwärmt. Im ungünstigsten Fall saßen nur eine Sekretärin oder der Sysselmann selbst am Telefon, unbewaffnet und nicht in der Lage, ihn vor seinen Verfolgern zu beschützen.
Der Biologe fuhr weiter in Richtung Hafen, behielt dabei stets den Rückspiegel im Auge. Das Kreuzfahrtschiff, das hochhaushoch am Kai aufragte, degradierte die anderen Boote im Fjord zu Modellschiffchen. Sollte er an Bord gehen und um Hilfe bitten? Was, wenn ihn der Wachmann, der an der Straße den Zugang zum Kai kontrollierte, nicht die Absperrung passieren ließ? Dann saß er in der Falle.
Im Rückspiegel tauchte das Auto des mörderischen Trios auf. Vogtländer spürte, wie eine Schraubzwinge seine Brust zusammenpresste. Er bekam keine Luft mehr.
Reiß dich zusammen, sagte er sich, verfall jetzt nicht in Panik!
Eine Sekunde, zwei Sekunden. Rasselnd drang Sauerstoff in den einen halbwegs intakten Lungenflügel. Was für ein glückseliges Gefühl, atmen zu können. Vogtländer gab Gas. Noch drei Kilometer bis zum Flughafen. Dann war die Welt zu Ende.
Nein, oberhalb des Flughafens befand sich die
Vault
. Warum war ihm das nicht schon früher eingefallen? Hinter der Stahltür der
Vault
konnte ihm niemand etwas anhaben. Er brauchte nur eine Minute Vorsprung. Denn so lange dauerte es, bis die Automatik die Tür hinter ihm wieder verriegelt hätte.
[zur Inhaltsübersicht]
Siebenundzwanzig
Yasi hatte in der Polizeiwache bleiben müssen, bewacht von Tor. Bastian fand das zwar vollkommen überflüssig, doch in diesem Punkt blieb Knut Hansen unerbittlich. Und so standen sie jetzt zu dritt in der Kabine von Helene Lambert und betrachteten die Inszenierung. Schon auf den ersten Blick war sie nicht glaubwürdig. Zwar lagen die Leichen auf dem Bett, mit einander zugewandten Gesichtern, als hätten Helene Lambert und ihr Assistent freiwillig den Tod erwartet, doch die zerrissenen Kleider und die Fesselspuren an den Händen sagten etwas anderes. Auch bei der Pistole, die dem Assistenten scheinbar aus der rechten Hand gefallen war und an der man vermutlich seine Fingerabdrücke finden würde, war den Mördern ein gravierender Fehler unterlaufen, sie hatten nämlich vergessen, den Schalldämpfer abzuschrauben.
Bastian zeigte Knut Hansen die Pistole. «Siehst du das? Welcher Selbstmörder benutzt einen Schalldämpfer? Wenn man abtreten will, nimmt man keine Rücksicht auf die Nachbarn.»
Hansen nickte sorgenvoll. «Das behagt mich gar nicht. Wir sind nicht ausgerüstet für so was.»
Lars, der zweite norwegische Polizist, der Bastian und Hansen auf die MS Albertina begleitet hatte, stellte einen silbern glänzenden Metallkoffer auf dem Teppichboden ab und ließ die Schlösser aufschnappen. Als Bastian die rudimentäre Spurensicherungsausrüstung sah, verstand er, was Hansen meinte. Allein die Tatsache, dass sie ohne Schutzanzüge am Tatort herumstanden, hätte bei den münsterschen KTU -Kollegen einen mittleren Wutanfall ausgelöst.
«Was macht ihr denn normalerweise, wenn hier ein Verbrechen geschieht?», wandte sich Bastian an Hansen.
«Das kommt nicht öfter vor. Und wenn, dann fragen wir die Kripo in Tromsø, um uns zu helfen. Aber das dauert.»
Ein Mann in blauer Galauniform, mit goldenen Knöpfen und Streifen besetzt, betrat bei Hansens letzten Sätzen die
Weitere Kostenlose Bücher