Münsterland ist abgebrannt
kann, dann sind Sie es.»
«Rike», sagte Frederik tonlos.
«Bitte?»
«Rike. Eine Studentin aus Hannover. Wir haben geflirtet. Wie das halt so ist auf einer Kreuzfahrt. Man hat viel Zeit und nichts zu tun. Man langweilt sich tierisch. Schauen Sie sich doch mal um: Neunundneunzig Prozent der Frauen auf diesem Kahn, abgesehen von den Philippininnen im Service, sind über sechzig. Eine Frau unter dreißig war für mich wie eine Offenbarung. Rike sieht ganz gut aus, nicht sensationell, aber … Um es kurz zu machen: Wir sind im Bett gelandet.»
«Und?», fragte Bastian.
«Na ja, zuerst dachte ich, wir wären uns rein zufällig begegnet. Aber jetzt, wo Sie es erwähnen, kommt es mir doch so vor, als hätte mich Rike gezielt angebaggert. Und sie war auch nicht richtig bei der Sache, beim Sex, meine ich. Eigentlich hat sie sich gar nicht für mich interessiert, sondern mehr für meine Mutter. Ständig hat sie mich über Helene ausgefragt, wie reich sie ist, wie sie die Firma aufgebaut hat, was ich über die Produkte der Firma weiß. Solche Sachen eben. Das hat mich schon echt angenervt.»
«Wie heißt diese Rike mit Nachnamen?»
«Habe ich nie gefragt.» Frederik schaute auf. «Sorry, Herr Kommissar, Sie halten mich jetzt sicher für oberflächlich. Aber ich hatte nie die Absicht, mit Rike eine langfristige Beziehung einzugehen.»
«Wann waren Sie zuletzt mit ihr zusammen?»
«Gestern Nacht. Aber nur kurz. Sie war total abgetörnt. Da lief überhaupt nichts.»
«Und wo ist diese Rike jetzt?», fragte Hansen.
«Keine Ahnung. Wahrscheinlich an Land gegangen.»
|||||
Auf dem Weg zur Brücke, den ihnen Dr. Holthoff beschrieben hatte, mussten sie irgendwo falsch abgebogen sein, jedenfalls fanden sie den durch eine Stahltür verschlossenen Eingang zur Kommandozentrale des Schiffes erst, nachdem sie sich erneut erkundigt hatten.
Kapitän Visser empfing sie mit gespannter Erwartung: «Sind Sie schon einen Schritt weitergekommen?»
«Vielleicht», sagte Bastian. «Ich nehme an, Sie haben alle Passagierdaten in Ihrem Computersystem?»
«Selbstverständlich. Man muss an allen Stationen darauf zugreifen können.»
«Ich suche eine junge Frau namens Rike. Das ist der Vorname, möglicherweise die verkürzte Form. Nachname unbekannt. Sie ist mit dem jungen Lambert befreundet.»
«Ich weiß, wen Sie meinen», antwortete Visser, ohne zu zögern. Er tippte ein paar Befehle in seinen Computer und las ab. «Sie heißt Mareike Vollmer. Eine Deutsche.»
«Kennen Sie sie?», fragte Bastian.
«Natürlich. Es gehört zu meinem Job, die Passagiere im Auge zu behalten. Und wenn der Sohn meines wichtigsten Gastes – ich spreche von Helene Lambert – mit einem Mädchen turtelt, weiß ich spätestens nach einer halben Stunde, um wen es sich handelt.»
«Können Sie mir mehr über Frau Vollmer sagen?»
«Sie ist erst in Tromsø zugestiegen, zusammen mit zwei Burschen in ihrem Alter. Die drei haben eine Dreibettkabine auf dem Budgetdeck, der billigsten Kategorie. Eine merkwürdige Ménage-à-trois, wenn man bedenkt, dass sich Mareike direkt auf Frederik Lambert gestürzt hat, der sechs Decks über ihr logiert.» Der Kapitän grinste. «Eine Liebesgeschichte auf Titanic-Niveau, nur mit umgekehrten Geschlechtern.»
«Tromsø?» Bastian war elektrisiert. «Wann war das?»
«Vor vier Tagen. Spielt das eine Rolle?»
Warum hatten sie diese Möglichkeit übersehen? Bei der Mordkommission in Münster waren sie davon ausgegangen, dass sich Helene Lamberts Gefährdung in Grenzen hielt, da sie sich zum Zeitpunkt der ersten Morde bereits auf See befunden hatte. Daran, dass die Mörder erst später an Bord gehen könnten, hatten sie schlicht nicht gedacht.
«Ist das nicht ungewöhnlich, dass Passagiere erst so spät zusteigen und einen Teil der Reise verfallen lassen?»
«Ja», sagte Visser. «Aber es kommt vor. Bei Terminschwierigkeiten. Bezahlen musste Frau Vollmer die Reise allerdings komplett.»
Bastian warf Hansen einen Blick zu. Der Verdacht, der sich nach Frederik Lamberts Äußerungen vage gebildet hatte, wurde konkreter.
«Haben Sie ein Foto von Frau Vollmer?», wandte sich Bastian an den Kapitän.
Visser erklärte, dass alle Reisenden beim Betreten des Schiffes fotografiert würden, zum einen für den Bordausweis, der die Gesichtskontrolle nach der Rückkehr von Landausflügen ermögliche, zum anderen seien die Servicekräfte angehalten, jeden Gast, der eine kostenpflichtige Bestellung aufgebe, einwandfrei zu identifizieren,
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