Münsterland ist abgebrannt
denken, Rafael van Meulen hat erst Ihre Mutter ermordet und sich dann selbst erschossen?», vergewisserte sich Bastian.
«Ja. Wie soll es sonst gewesen sein?»
«Beim ersten Hinschauen sieht es aus wie eine doppelte Selbstmord», warf Hansen ein.
«Nein.» Frederik schüttelte den Kopf. «Mama hätte das nicht gewollt. Selbstmord stand definitiv nicht auf ihrer Agenda.»
«Und warum sollte van Meulen sie ermordet haben?», fragte Bastian.
«Aus enttäuschter Liebe, was weiß ich. Rafael war vernarrt in meine Mutter, er hat sie vergöttert. Sie musste nur mit dem kleinen Finger winken, dann hat er Männchen gemacht.» Frederik zog die Nase hoch. «Sie werden es ja sowieso herausfinden, deshalb sage ich es Ihnen gleich: Meine Mutter hat mit Rafael geschlafen. Sie hatte eine Affäre mit ihm. Denken Sie darüber, was Sie wollen, Altersunterschied und so. Aber niemals hätte sie die Verbindung offiziell gemacht. Da konnte sie nüchtern zwischen oben und unten unterscheiden.»
«Und van Meulen war unten?»
«Selbstverständlich. Er war recht ansehnlich gebaut und zudem ein ordentlicher Sekretär. Mehr aber auch nicht. Wahrscheinlich wollte er das nicht einsehen, hat sie unter Druck gesetzt und irgendwelche Scheiße gelabert, von wegen, dass sie zu ihm stehen soll oder so. Und sie, sie hat ihn eiskalt abfahren lassen, das konnte sie gut, darin war Mama einsame Spitze. Da hat er …» Frederik bildete aus Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand eine Pistole. «Scheiße …» Er kniff die Augen zusammen und machte ein schmerzverzerrtes Gesicht. «Ich werde das Bild nie vergessen.»
«Meine Herren!», sagte Holthoff.
«Noch zwei, drei Fragen», bat Bastian.
«Ist schon okay», nickte Frederik.
«Wann haben Sie Ihre Mutter zuletzt gesehen?»
«Gestern Abend, beim Abendessen. Wir wollten uns eigentlich später noch in der Bar treffen. Als sie nicht erschienen ist, dachte ich …»
«Sie dachten, dass Ihre Mutter mit Rafael van Meulen zusammen ist?»
«Logisch. Weil er auch nicht zu sehen war.» Frederik strich sich die widerspenstige Tolle aus dem Gesicht. «Sie wusste schließlich, was sie tat. Es gab keinen Grund, mir Sorgen zu machen.»
«Niemand macht Ihnen einen Vorwurf», sagte Bastian. «Wie wirkte Ihre Mutter gestern Abend auf Sie? War sie irgendwie anders als sonst?»
«Sie war ein bisschen neben der Spur, hörte nicht richtig zu. Allerdings kommt das bei ihr öfter vor, wenn ihr Dinge durch den Kopf gehen. Sie hat eine große Firma zu leiten. Nach dem Essen ist sie dann auch gleich aufgestanden und in ihre Kabine gegangen.»
Bastian nickte. «Herr Lambert, ist Ihnen in den letzten Tagen etwas aufgefallen? Hat sich jemand für Ihre Mutter interessiert, sie vielleicht beobachtet?»
«Nein. Warum fragen Sie?»
«Haben Sie von den Morden im Münsterland gehört, denen die Geschäftspartner Ihrer Mutter zum Opfer gefallen sind? Bankier Mergentheim und Professor Weigold?»
«Ja, natürlich.» Frederik riss die Augen auf. «Denken Sie, dass meine Mutter … Wie sollen die denn aufs Schiff gekommen sein? Wir sind seit neun Tagen unterwegs.»
«Das kann ich Ihnen nicht beantworten», gab Bastian zu. «Es ist jedoch möglich, dass hinter den Mordanschlägen eine ganze Gruppe steckt, dann müssen die Täter nicht identisch sein. Vielleicht waren die Mörder schon zu Beginn der Reise an Bord, während ihre Komplizen im Münsterland zuschlugen.»
«Und was ist mit Rafael? Wieso haben sie ihn ermordet?»
Bastian seufzte. «Weil die Täter versucht haben, das Mordmotiv zu verschleiern. Es sollte nach einem Doppelselbstmord aussehen oder – wie Sie annahmen – nach einem Mord aus enttäuschter Liebe. Das entspricht dem Muster der ersten beiden Mordfälle, wenn auch in unterschiedlicher Ausführung.»
Frederik starrte Bastian mit offenem Mund an. Offenbar sickerte das, was er soeben gehört hatte, nur sehr langsam in sein Bewusstsein. Bastian empfand dafür vollstes Verständnis. Es war erstaunlich genug, dass der Junge so kurz nach dem Verlust seiner Mutter in der Lage war, die Ereignisse zu reflektieren. Bastian selbst hätte das vermutlich nicht gekonnt.
Frederik senkte den Kopf und betrachtete das Muster auf dem Teppich.
«Sie sollten jetzt wirklich gehen», sagte Holthoff.
«Einen Moment noch», widersprach Bastian. Er hatte den Eindruck, dass Frederik ein Verdacht gekommen war. «Herr Lambert, Sie standen Ihrer Mutter am nächsten. Sie waren fast ständig mit ihr zusammen. Wenn uns jemand helfen
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