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Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Kehrer
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Disziplinarverfahren, keine Eintragung in die Personalakte. Aber Ihrem Antrag auf Versetzung ins KK 11 wird nicht entsprochen, Sie bleiben vorläufig in der K-Wache.»
    Scheiße
, dachte Bastian.
    «Gucken Sie nicht so traurig», setzte der Präsident hinzu. «Wir wissen Ihre Fähigkeiten bei Mordermittlungen durchaus zu schätzen. Aber wir würden gegenüber den Kolleginnen und Kollegen in den Dienststellen ein falsches Zeichen setzen, wenn wir Ihr Fehlverhalten auch noch belohnen würden. Drehen Sie ein, zwei Runden in der K-Wache, dann sehen wir weiter.»
    «Heißt das, ich werde in zwei Jahren ins KK 11 versetzt?», fragte Bastian.
    «Das heißt, dass wir Ihr Anliegen dann wohlwollend prüfen werden», sagte Terbrock. «Vorausgesetzt, Sie halten sich bis dahin an die Regeln.»
    |||||
    Das war vor einem Tag gewesen. Heute wurde Bastian in der K-Wache mit großem Hallo begrüßt. Die Kollegen schienen sich wirklich zu freuen, dass er wieder zu ihnen gehörte, der Leiter des Kommissariats hatte sogar seinen Feierabend um eine Stunde verschoben und hielt eine seiner berüchtigten Ansprachen. Am herzlichsten fiel die Umarmung bei Udo Deilbach aus, der seinen früheren und Nun-wieder-Kollegen an die breite Brust drückte.
    «Mensch, Basti», flüsterte Udo in das Ohr des Rückkehrers, «ich habe deinen Arsch schon im Atlantik schwimmen sehen. Mach das bloß nicht wieder, hörst du?»
    Bei Kaffee und Streuselkuchen vom Supermarkt musste Bastian die Schießerei im Tunnel der Samenbank detailliert schildern. Obwohl alle die Geschichte schon kannten – schließlich führte Fahlens Mordkommission weiterhin die Ermittlungen, und der Flurfunk im Präsidium funktionierte ausgezeichnet. Die Norweger hatten Annika Buschs verletzten Komplizen nach Deutschland überstellt, er saß mittlerweile in Münster in U-Haft. Da die Morde an Helene Lambert und ihrem Assistenten auf einem unter deutscher Reiseleitung stehenden Schiff begangen worden waren und der Angriff auf Ulrich Vogtländer in der Samenbank ein vergleichsweise geringeres Delikt darstellte, war man auf diplomatischer Ebene übereingekommen, den Deutschen den Vortritt zu lassen. Die Mordkommission hatte also die Aufklärung von insgesamt fünf Mordfällen übernommen, keine leichte Aufgabe, zumal der mutmaßliche Täter weiterhin die Aussage verweigerte. Wie es aussah, würde es auf einen langwierigen Indizienprozess hinauslaufen.
    Als die ersten Zweierteams aufbrachen, um Meldungen von Hauseinbrüchen und häuslicher Gewalt nachzugehen, löste sich die Kaffeerunde auf.
    «Sieht so aus, als würde es heute eine ruhige Nacht werden», sagte Werner Broschek, der nach dem Abgang des Chefs als Schichtleiter das Kommando übernommen hatte. «Wir haben da eine Anfrage von den Rauschgiftkollegen. Es geht um die Verhaftung eines kleinen Dealers, Haftbefehl liegt vor. Seine Wohnung wurde den ganzen Tag observiert, ohne Ergebnis. Wahrscheinlich taucht er auch heute Nacht nicht auf, aber für den Fall der Fälle möchte das Rauschgiftkommissariat gerne, dass wir vor Ort sind.» Broschek schaute Bastian und Udo Deilbach an. «Wäre das nicht was für euch? Ihr könnt in Ruhe quatschen und müsst nur ab und zu mal einen Blick auf die Haustür werfen.»
    «Ist gebongt», sagte Udo und griff nach dem Blatt mit dem Foto und den Personendaten. «Irgendwelche Besonderheiten, die wir beachten sollen?»
    «Nein. Nach den Erkenntnissen der Kollegen neigt der Mann nicht zur Gewalt und ist auch nicht bewaffnet.»
    «Wir nehmen ihn also fest, wenn wir ihn sehen?», vergewisserte sich Bastian.
    «Richtig», bestätigte Broschek. «Falls es Probleme gibt, ruft ihr Verstärkung. Ein SEK wird wohl nicht notwendig sein.»
    Bastian schaute sich das Foto an. Der Typ hatte halblange glatte Haare und einen Fusselbart am Kinn, dazu trug er eine Nickelbrille. Er war dreiunddreißig Jahre alt und hieß Mark Stephan.

[zur Inhaltsübersicht]
Zweiunddreißig
    Vogtländer zwang sich, ein paar Bissen hinunterzuschlucken. Er musste essen. Und trinken. Obwohl er weder Hunger noch Durst hatte. Unter anderen Umständen hätte er es für total sinnlos gehalten, seinen Körper und damit die Krebszellen zu füttern. Doch jetzt, wo er Berlin bereits erreicht hatte und auf dem Weg nach Münster war, wollte er auch noch die letzten Stunden bis zum Ziel überstehen. Und dafür musste er bei Kräften bleiben.
    Wenigstens erfüllten Dr. Erikssons Tabletten ihren Zweck. Sie hüllten ihn in eine fast schmerzfreie Gelassenheit.

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