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Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Kehrer
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Vater angesehen hatte, auch weiterhin dafür hielt? Und ihn nicht gegen einen neuen, unbekannten, todkranken Vater eintauschte?
    Noch fünfhundert Meter bis zur Autobahnausfahrt Lengerich. Noch konnte er dem Taxifahrer sagen, dass er es sich anders überlegt hatte.
    Vogtländer griff nach dem Rucksack und hörte, wie die
Baba
-Samen im Inneren raschelten. Auch darum musste er sich kümmern. Der Biologe war verwirrt. Solange er seinen Verstand nur dazu benutzt hatte, das richtige Gate im Flughafen zu finden, waren Dr. Erikssons Tabletten ein Segen gewesen. Jetzt, wo es darauf ankam, Entscheidungen zu treffen, verfluchte er den Nebel in seinem Kopf. Am schlimmsten war, dass er alles so schnell vergaß. Morgen würde er sich vielleicht nicht mehr an Frederiks Worte erinnern können.

[zur Inhaltsübersicht]
Dreiunddreißig
    Mark Stephan wohnte in der zweiten Etage eines Mietshauses im Hansaviertel, keine vierhundert Meter vom Bremer Platz auf der Ostseite des Bahnhofs entfernt, einem der meistbesuchten Handelsplätze für Drogen in Münster. Hätte nicht ein Straßenzug im Weg gestanden, wäre der Dealer in der Lage gewesen, von seinem Küchenfenster aus die Kundschaft zu begutachten.
    Bastian und Udo Deilbach lümmelten sich auf den vorderen Sitzen eines Audis, den sie im Polizei-Fuhrpark ergattert hatten. Abends kam man leichter an die größeren Autos.
    «Ich verstehe diese Typen nicht», sagte Udo und biss in sein mitgebrachtes Butterbrot.
    «Welche Typen meinst du? Dealer wie diesen Mark Stephan?»
    Udo kaute. «Nein. Ich meine die Braut, die vermutlich Mergentheim und die anderen kaltgemacht hat.»
    «Annika Busch, die Frau, der ich von Anfang an misstraut habe?», warf Bastian ein.
    «Punkt für dich», gab Udo zu. «Aber mal davon abgesehen: Man bringt doch nicht fünf Leute um, nur weil in China ein Sack Reis umgefallen ist.»
    «Das war schon mehr als ein Sack Reis.» Bastian dachte an Yasi, die immer noch darauf hoffte, dass Vogtländer aufwachen und die Wahrheit ans Licht bringen würde. Aus Rücksicht auf ihre Familie am Lugu-See und Bo in Peking wollte sie sich nicht als Erste an die Öffentlichkeit wenden. Vor allem weil sie nichts von dem, was Bo ihr erzählt hatte, beweisen konnte.
    «Meinetwegen», sagte Udo. «Trotzdem haben die einen an der Waffel. Die hätten doch auch Flugblätter verteilen können. Oder eine Demo vor der Fabrik veranstalten. Aber nein, sie mussten alle killen, die an diesem komischen Kraut verdient haben.»
    «Baba»
, sagte Bastian.
    «Das hat meine Tochter auch zu mir gesagt, als sie ein Jahr alt war.»
    Bastian ignorierte Udos Kalauer. «Du kannst mit politischen Fanatikern nicht über Vernunft diskutieren. Warum bringen Neonazis türkische Gemüsehändler um? Oder warum schießen bibeltreue Christen in den USA auf Ärzte, die Abtreibungen vornehmen?»
    «Weil sie krank sind.» Udo beobachtete, wie die letzten Sonnenstrahlen hinter den Hausgiebeln verschwanden. Nach der Hitzeperiode hatten sich die Sommertemperaturen auf mitteleuropäisches Normalmaß eingepegelt. Die Nächte waren nicht mehr schwülwarm, aber man konnte immer noch ohne Pullover im Biergarten sitzen.
    «Eine andere Frage finde ich beinahe interessanter», nahm Bastian den Faden wieder auf. «Woher hatten sie die Kohle?»
    «Welche Kohle?»
    «Für die Kreuzfahrt, die russischen Papiere, die eine Menge gekostet haben dürften. Ich habe gehört, dass sie auch schon eine teure Wohnung in Moskau gemietet hatten. Zusätzlich hat man bei allen dreien beträchtliche Summen auf den Konten gefunden.»
    «Als Luxusnutte hat Annika Busch wahrscheinlich nicht schlecht verdient.»
    «Nein. Sie hatte nur wenige Einsätze. Sie war ausschließlich darauf aus, mit Mergentheim in Kontakt zu kommen.»
    «Was ist mit der Organisation in Hamburg?», fragte Udo.
    «Die distanziert sich von jeglicher Gewalt. Angeblich hat man seit einem Jahr keinen Kontakt mehr zu dem Trio.»
    «Ist das glaubwürdig?»
    «Das wird natürlich noch überprüft. Yasi ist allerdings auch davon überzeugt, dass die drei aus Hamburg keine Unterstützung bekommen haben.»
    «Dann bleibt noch ein unbekannter Hintermann», schlug Udo vor.
    Bastian hatte eine Vermutung, wer dafür in Frage kam: Frederik Lambert. Aber der Verdacht war so ungeheuerlich, dass er nicht wagte, ihn auszusprechen. Nachdem die drei Verletzten und die beiden Leichen zum Flugzeug nach Tromsø gebracht worden waren, hatten Bastian und die inzwischen eingetroffenen norwegischen

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