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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Gschwend
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Geschwistern aufgewachsen ist, kann die selbstverständliche Annahme, dass Mütter alle ihre Kinder gleich lieben und gleich behandeln, häufig nicht bestätigen: «Es war einfach klar: der Jürgen war der ersehnte Kronprinz, der den Betrieb übernehmen sollte und ich, die Tochter, war halt auch noch da» oder: «Meinen Bruder hat sie [die Mutter] eindeutig vorgezogen und ich konnte es nie dahin schaffen, wo er von vornherein war.»
    Dass Jungen oder auch Erstgeborene noch bis in jüngere Zeit oft unverhohlen bevorzugt wurden, war eine allseits akzeptierte Selbstverständlichkeit. Jungen waren es, die den Hof oder väterlichen Betrieb übernahmen, die durch ihre Arbeitskraft und ihr Einkommen die Familie unterstützten, die die Alterssicherung der Mutter nach dem Tod des Vaters sicherten oder auch den «Fortbestand der Dynastie». Die Geburt eines Sohnes war mit ungleich höherem Prestige auch für die Mutter verbunden als die eines Mädchens. In vielen Ländern und Kulturen ist das bis heute der Fall. Auch viele Frauen in unserem Kulturkreis wünschen sich noch immer eher einen Sohn als eine Tochter, würden das aber nicht mehr so offen sagen. Heute wird im Zusammenhang mit der «Geschlechtervorliebe» meist geäußert: «Es ist mir/uns ganz egal, was es wird.»
    Bis vor noch nicht allzu langer Zeit haben sich Eltern sehr viel weniger Mühe gegeben, ihre Liebe «gerecht» zwischen ihren Kindern aufzuteilen und keines von ihnen sichtbar vorzuziehen. Sie mussten sich deswegen auch nicht schämen, denn die Selektivität der Elternliebe wurde als ganz normal angesehen. Wenn es auch sozial geleugnet wird: Noch immer richtet sich die Liebe der Mutter häufig mehr auf ein Kind als auf ein anderes, manchmal über bestimmte Phasen hinweg, manchmal aber auch grundsätzlich und konstant. In einem Gespräch schildert eine Frau, die mit drei Geschwistern aufwuchs, die Erfahrung, dass ihre Mutter sich immer nur einem einzigen Kind liebevoll zugewandt habe, bis sie ohne ersichtlichen Grund ihren Liebling wechselte, was die anderen Geschwister verwirrt, wütend und eifersüchtig zurückließ. Es passiert sehr oft, dass ein Kind der Mutter näher steht als ein anderes. Die heutige «gute Mutter» aber muss die Subjektivität ihrer Gefühle, zumindest vor anderen und vor allem dem Kind gegenüber leugnen. Das Kind wiederum unterliegt einem «Wahrnehmungsverbot». Es spürt oder erfährt die Bevorzugung des Geschwisters, gerät aber in einen verwirrenden Konflikt seiner Wahrnehmung mit dem ihm familiär und gesellschaftlich vermittelten Mythos der Mutterliebe, nach dem jede Mutter jedes ihrer Kinder gleich liebt.
    2.2.4  Alle Mütter lieben ihre Kinder
    Einem noch größeren, vielleicht dem größten kollektiven Wahrnehmungsverbot unterliegt die Tatsache, dass es Mütter gibt, die ihre Kinder nicht lieben, denen ihre Kinder gleichgültig sind oder die ihnen gegenüber Ablehnung empfinden. Viele Menschen würden die Ansicht äußern, dass solche Mütter krank sind, in jedem Fall nicht ganz normal. Dieser Gedanke drängt sich vielleicht auf angesichts der extremen Ausprägungen, über die wir durch die Medien informiert werden: Fälle, in denen Mütter ihre Kinder verwahrlosen und hungern lassen, sie misshandeln, zulassen, dass sie misshandelt und missbraucht werden, sie töten. Aber der Möglichkeit ins Auge zu sehen, dass es nicht wenige ganz normale und unauffällige Mütter gibt, die vielleicht weniger extrem oder weniger sichtbar ihre Kinder nicht lieben, rüttelt an den Grundfesten des geistigen Bodens unserer Kultur. Für das Individuum ist diese Möglichkeit erschreckend und beängstigend. Das Phänomen der «Mütter ohne Liebe», die ihre Kinder ablehnen, sie ausbeuten, die seelischen und körperlichen Terror ausüben, wird selbst in der psychologischen Fachliteratur nicht (als solches) benannt und selten thematisiert.
    2.2.5  Die Unentbehrlichkeit der Mutter für das Kind
    Das Postulat des Muttermythos, dass Mütter eine unersetzliche Rolle im Leben ihrer Kinder spielen, ist, wie bereits deutlich wurde, eine moderne und relativ neue Ansicht. Sie leitet sich aus der Annahme ab, dass die Entwicklung des Kindes überwiegend von der intensiven und exklusiven (und «natürlich» auch automatisch besten) Betreuung durch die leibliche Mutter abhängt. Das bedeutet, dass andere Personen in der Kinderbetreuung niemals den Platz der Mutter einnehmen können, mehr noch: Sie können und dürfen nicht annähernd so wichtig werden wie

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