Muetter ohne Liebe
wahrnehmen und thematisieren zu dürfen, um bewusster damit umgehen zu können. Bislang herrschen noch immer bestimmte Wahrnehmungsverbote, die zur Verdrängung und Verleugnung unerwünschter Tatsachen führen.
2.3.1 Verdrängung und Verleugnung der negativen Seiten der Mutterschaft
Die öffentliche Darstellung der Mutterschaft, unterstützt durch Medien und Werbung, vermittelt ein verzerrtes Bild von Mutterschaft als reinem Glück und permanenter Erfüllung. Eine Frau, die anders empfindet, ist keine gute Mutter und keine normale Frau. Die frustrierenden und negativen Seiten der Mutterschaft müssen also ignoriert und verleugnet werden. Die Fernseh-Mutter ist stets gepflegt, gelassen, liebevoll und einfühlsam. Im Einklang mit sich selbst hat sie das Familienglück aller voll unter Kontrolle. Unvorstellbar, dass sie einmal die Nerven verliert, weint, schreit, tobt. Undenkbar, dass sie je auf den Gedanken käme, persönliches Glück und Erfüllung außerhalb der Familie zu suchen. Warum auch? Ganz offensichtlich bedeutet Mutterschaft doch ein ungetrübtes Vergnügen und verschafft völlige Befriedigung. Selbstverständlich sind auch die Kinder der Fernsehmami so gepflegte wie pflegeleichte, dankbare und zufriedene Geschöpfe, die genau das passende Ausmaß kindlicher Ausgelassenheit und Schalkhaft igkeit demonstrieren.
Was die Bilder der Medien nicht zeigen, sind die Monotonie, die Einsamkeit und die gnadenlose Häuslichkeit, die mit der Kindererziehung einhergehen. Sie zeigen nicht, wie anstrengend es ist, ständig anwesend zu sein, sich an feste Zeiten zu halten, zu nähren, zu pflegen, zu trösten, zu beschäftigen, hinterher zu räumen, jede Menge undankbarer, monotoner Arbeiten auf sich zu nehmen und andere glücklich zu machen. Sie verleugnen den Schweiß, die Tränen, die zuweilen extreme nervliche Belastung und den Ärger, den Mutterschaft mit sich bringt. Sie sprechen nicht von den Momenten der Erschöpfung, der Frustration, der geistigen und seelischen Depression und vom Zorn von Müttern. Der Verleugnungsdruck ist so groß, dass sich Mütter nicht trauen zu sagen, wenn sie Mutterschaft nicht als Glückseligkeit erleben. Sie haben schon ein schlechtes Gewissen, wenn sie erzählen, wie viel Arbeit ein kleines Kind macht. Ich erinnere mich an eine Patientin mit zwei Kindern, ihr Baby war zwei Monate alt und der Ältere zwei Jahre. Sie war überwiegend allein für die Kinder verantwortlich, litt unter andauerndem Schlafentzug und war mit ihren Nerven am Ende. Manchmal geschah es, dass sie den größeren Sohn auch einmal anfuhr oder anschrie, wenn er wieder und wieder etwas von ihr wollte, sie ertappte sich bei Hassgefühlen und gewalttätigen Fantasien. Am Boden zerstört kam sie dann in meine Praxis, voller Selbstbezichtigungen und Selbsthass. Sie bezweifelte, ihren Sohn überhaupt zu lieben und hielt sich für eine völlig unfähige Mutter, für ein «Monster», das ihr Kind fürs Leben schädige. Ich ermunterte sie, mit anderen Frauen in ihrer Situation über ihre Gefühle zu sprechen, sie sei sicherlich nicht die einzige mit solchen Gefühlen und Gedanken. Die junge Mutter erwiderte: «Nein, das kann ich unmöglich tun. Ich weiß ja, dass andere das prima schaffen und die haben solche Regungen und Gefühle ganz sicher nicht, die lieben ihre Kinder eben ‹richtig›. Ich würde mich schämen.»
Mütter behalten also bestimmte Gefühle und Regungen ihren Kindern gegenüber für sich und bemühen sich, sie zu unterdrücken. Dadurch verschwinden sie aber leider nicht. Vielmehr gären sie im Inneren von Müttern vor sich hin, wo sich mit der Zeit ein explosives Gemisch aus Einsamkeit, Versagensgefühlen, Überforderung, Frustration und Zorn zusammenbraut. Manchmal implodieren sie auch, dann richtet sich die zerstörerische Energie gegen die eigene Person. Explodieren sie, können sie zu «Müttern ohne Liebe» werden, die ihren Zorn über die Bedingungen der Mutterschaft in Zorn auf ihr Kind übersetzen.
Lockern wir also das geistige Ventil und lassen nun öffentlich und stellvertretend verschiedene Mütter zu Wort kommen, die es wagen, mit ihren Äußerungen die «dunkle» Seite der Mutterschaft zu thematisieren.
Mutterschaft bedeutet Anstrengung, Mühsal und harte Arbeit. Sie beinhaltet Erschöpfung, Frustration und Wut:
So schlimm hatte ich mir dieses Geplärre, die endlosen Forderungen, das ständige Beaufsichtigen nicht vorgestellt.
An manchen Tagen bin ich dermaßen erschöpft, dass ich sie
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