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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Gschwend
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die leibliche Mutter. Letzteres wird im Allgemeinen negativ bewertet, selbst wenn es der Vater ist. Die Mutter wird verurteilt und das Kind bedauert. Jede Form der Betreuung durch Dritte muss aufgrund der überhöhten Bedeutung der Mutter als minderwertige Alternative erscheinen, insbesondere, wenn es sich um Vorschulkinder handelt. Zum Thema Kinderkrippen erschienen im
Zürcher Tages-Anzeiger
am 12. März 2008 unter dem Übertitel «Kinder brauchen ‹Hausmütter›» zwei in diesem Zusammenhang typische Leser Innenbriefe. Ein männlicher Schreiber äußerte sich folgendermaßen: «Kinder zwischen dem ersten und fünften Lebensjahr gehören zur Mutter. So wie Muttermilch das Beste für den Säugling ist, so ist das häusliche Heranwachsen des Kindes das Beste für seine Entwicklung.» «Wäre ich ein Kind, ich würde wohl lieber zu Hause bei Mama oder Papa bleiben. Mindestens die ersten fünf Jahre», schrieb eine Leserin, die wenigstens eine mögliche Betreuung durch den Vater erwähnte.
    In unseren europäischen Nachbarländern würden nicht nur Frauen den Kopf angesichts solcher Aussagen schütteln. Nirgendwo sonst existiert der Muttermythos so ungebrochen wie im deutschsprachigen Europa. In Frankreich, Italien, Skandinavien, Großbritannien und anderen Ländern ist es ganz selbstverständlich, dass Frauen eigene Interessen haben und eine eigene Identität, die über die der Mutter hinausgeht. Sie werden dabei unterstützt, Beruf/Karriere und Familie zu vereinbaren. Der Begriff der «Rabenmutter» ist in diesen Ländern unbekannt.
    99 % der französischen Kinder besuchen vom dritten Lebensjahr an die Vorschule und bleiben dort bis zum Nachmittag. Wenn auch viele Menschen hierzulande vor solchen Aussichten zurückschrecken, ist es doch so, dass Franzosen oder Italiener, die diese Form der Kinderbetreuung erfahren, nicht unglücklicher oder neurotischer zu sein scheinen als Schweizer oder Deutsche. Vielleicht ist sogar eher das Gegenteil der Fall. Die französische Familienforscherin Jeanne Fagnani hat untersucht, warum Französinnen mehr arbeiten, aber auch mehr Kinder haben als Deutsche und herausgefunden, dass dabei die unterschiedliche Kinderbetreuung eine Rolle spielt, was aber nicht der entscheidende Faktor ist. Bei den deutschen Frauen fiel ihr ein von vornherein großes Misstrauen gegen jegliche Versorgung der Kinder außerhalb des eigenen Hauses auf. «Die Mehrheit der westdeutschen Frauen glaubt immer noch an die Theorie, dass ein Kind unter drei Jahren ständig bei der Mutter sein sollte, und dass jede Trennung traumatisch für das Kind sei», bilanziert sie in der
Süddeutschen Zeitung
vom 26.7.2003. Dabei entbehrt dieser Glaube jeglicher wissenschaftlichen Grundlage, macht der ehemalige Leiter des Münchner Instituts für Frühpädagogik Wassilios Fthenakis im selben Artikel deutlich. Und nicht nur das: Dieser Glaube «enthält kleinen Kindern auch wichtige Entwicklungsmöglichkeiten vor». An späterer Stelle wird dieses Thema noch vertieft werden und der Frage nachgegangen, ob das zwangsläufig entstehende Machtmonopol der Mutter über das Kind und der Druck ihrer Alleinverantwortung der Beziehung zwischen Mutter und Kind wirklich zuträglich sind.
    2.3  Die Auswirkungen des Muttermythos
    Das überhöhte und sentimentale Bild der Mutter, das der Muttermythos vermittelt, führt zu falschen Vorstellungen über Mütterlichkeit, zu Enttäuschung, Unaufrichtigkeit und Verleugnung. Ihn aufrechtzuerhalten dient nicht den Interessen von Müttern und von Kindern, denn in seinem Schatten finden sich viel Leid, Verzweiflung, Einsamkeit, Frustration und verborgene Gewalt. Die Idealisierung der Mütterlichkeit wurde, wie beschrieben, durch die Spaltung in «gute Mütter» und «böse Mütter» vorbereitet. In den Volksmärchen zum Beispiel ist die gute Mutter stets auch die leibliche Mutter. Sie stellt ihr Leben selbstlos, aufopfernd, allzeit gütig und liebevoll ganz in den Dienst ihres Kindes. Meistens lebt sie nicht lange(!), ihren Platz nimmt dann die «böse Stiefmutter» ein, deren ganz unverhohlen gezeigten eigenen Interessen das Kind im Weg steht. Die Stiefmutter ist egoistisch und lieblos. Sie vernachlässigt ihre Kinder, beutet sie aus, lässt sie hungern, setzt sie aus, wünscht ihnen den Tod.
    Der Muttermythos verbietet die Erkenntnis, dass in jeder Mutter auch eine «böse Stiefmutter» steckt, in welcher Art und welchem Ausmaß auch immer. Es würde Müttern und Kindern gut tun, diese Realität

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