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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Gschwend
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vertraute Sofia Tolstaja, Mutter von zwölf Kindern, 1865 ihrem Tagebuch an (zit. n. Beauvoir 2000, S. 662) und Gabrielle Guitton, die Mutter des französischen Philosophen Jean Guitton klagt in einem Brief an einen Freund: «Mein Leben ist inhaltlich so abstumpfend geworden […]. An der Wiege meines kleinen Lieblings habe ich alles, was ich liebte, geopfert, die Lektüre, die von Arbeit erfüllten Stunden, alles, was früher mein Leben ausfüllte.» (Zit. n. Badinter 1980, S. 285). In der Sprache heutiger Mütter hört sich das so an: «Die Kinder, das ist schwer, das frisst einem das Leben auf», oder: «Ich habe so viele Aktivitäten wegen meiner Kinder aufgesteckt, weil sie nicht mit der Pflege, die sie brauchen, unter einen Hut zu bringen waren. Ich habe auf so viele Dinge verzichtet, die mir fehlen.» (Ebd., S. 287). Diese Zeugnisse von Frauen sprechen zwar von Opfer und Verzicht zugunsten der Kinder, aber auch von Traurigkeit, Enttäuschung, Erschöpfung und Zorn.
    Der Muttermythos postuliert eine selbstverständliche Interessengemeinschaft von Mutter und Kind. In diesem Sinne muss das Selbst der Mutter gar nicht geopfert oder aufgegeben werden, weil nämlich die Bedürfnisse von Mutter und Kind ohnehin identisch sind. Demnach ist es für die Mutter ganz selbstverständlich, ihren Lebensplan und Lebensrhythmus ganz auf den des Kindes abzustimmen. Ihre hauptsächliche Befriedigung findet sie im Zusammensein mit ihren Kindern und in der Fürsorge für sie. Darüber hinaus hat sie gar keine wesentliche Identität oder ernsthaft e Interessen. Die Bedürfnisse der Mutter werden mit den Bedürfnissen des Kindes gleichgesetzt.
    Bis heute ist und bleibt die Mutter – als weiblicher Mensch – unsichtbar. Auch in modernen Mutterbildern, in der Psychologie, in der Pädagogik, ist die Wahrnehmung einer Interessenlage der Frau, die sich von der des Kindes unterscheidet, nicht existent, und bis heute ist es ein allgemein anerkanntes Maß für die Qualität der Mutterliebe, wie weitgehend die Mutter diese Interessengemeinschaft auch wirklich fühlt.
    2.2.2  Die Reinheit der Mutterliebe
    In unserer Vorstellung ist (einzig die) Mutterliebe rein. Demnach ist sie weder von Eigeninteressen und Zweifeln noch von zwiespältigen oder ablehnenden Gefühlen getrübt. Von mutigeren Müttern sind allerdings auch Äußerungen zu hören wie: «Manchmal hasse ich mein Kind, weil ich mich von ihm aufgefressen fühle», «Manchmal ist mir mein Kind weniger wichtig als andere Menschen oder Tätigkeiten», «Ich liebe sie, aber es gibt Tage, wo ich viel dafür gäbe, wenn sie nicht da wären» oder: «Meine Kinder, als sie ungefähr ein Jahr alt waren, setzten in mir schreckliche Phantasien über Grausamkeit frei». Genervtheit, Frustration, Ablehnung, Wut, grausame Phantasien – solche Gefühle gehören wahrlich nicht zu unserem Bild von «reiner» Mutterliebe. Sie bedrohen und erschrecken uns, am meisten die Mütter selbst, und deshalb werden sie geleugnet.
    Dem Mythos nach sollen im Falle der Mutterliebe Liebe und Zorn keine Koexistenz kennen. Nun gibt es aber keine menschliche Beziehung, in der man einen anderen Menschen zu jedem Zeitpunkt liebt und mit Liebe überschüttet. Es sind nicht die Mütter mit ihren negativen Gefühlen, die monströs sind, es ist das Ideal, das monströs ist. Zu Liebesbeziehungen jeglicher Art gehören unterschiedliche Interessen, gegensätzliche Empfindungen und Konflikte. Damit sollte jedoch bewusst umgegangen werden. Ein Kind wird gleichermaßen als Schatz und Bereicherung erlebt wie als Last und Tyrann. Gefühle von Nähe und Zärtlichkeit können problemlos neben Zorn aufgrund permanenter Einschränkungen und Forderungen bestehen. Das ist ganz normal. Manchmal verlieren Mütter die Geduld und schreien ihr Kind an, manchmal treiben sie es an, wenn es trödelt. Nicht alle Aktivitäten und Interessen des Kindes interessieren sie. Manchmal befehlen sie, statt ewig zu erklären und zu begründen. Und natürlich kann es so sein, dass ihnen das Kind manchmal weniger wichtig ist als andere Menschen oder Tätigkeiten. Für Mütter früherer Generationen und noch bis in die 1960er Jahre war das alles auch ganz selbstverständlich und weder mit Schuldgefühlen noch Zweifeln an ihren mütterlichen Qualitäten verbunden. Heutige Mütter haben das Gefühl, «komplett zu versagen», sich als schlechte Mutter zu erweisen und ihrem Kind erheblich zu schaden.
    2.2.3  Mütter lieben alle ihre Kinder gleich
    Wer mit

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