Muetter ohne Liebe
abwesender Vater, das ist untersucht und bestätigt, ist ein begünstigender Faktor für eine schlecht funktionierende Mutter-Kind-Beziehung. Vor allem auch in Fällen problematischer und destruktiver Mutter-Kind-Beziehungen kann ein stärkeres Engagement des Vaters von großer Bedeutung sein und ausgleichend wirken, dies wurde auch in diesem Buch an einigen Beispielen sichtbar.
Natürlich gibt es, das soll hier nicht unerwähnt bleiben, analog zu den vorher beschriebenen Müttern und destruktiven Mutter-Kind-Beziehungen auch problematische und destruktive Vater-Kind-Beziehungen. Es gibt den distanzierten, desinteressierten Vater, der seine Kinder überwiegend als lästig empfindet. Es gibt den narzisstisch ausbeutenden Vater und es gibt den Gewalt ausübenden Vater. Diese verschiedenen Typen von Vaterfiguren prägen ebenfalls das Seelenleben ihrer Kinder und können deren psychische Entwicklung beeinträchtigen, vor allem, wenn sie real und/oder psychologisch einen starken Einfluss auf sie haben.
6.2 Der Verzicht auf den Muttermythos und seine Folgen
In unsicheren Zeiten klammert sich der Mensch gerne an Vertrautes, an althergebrachte und überschaubare Strukturen. Seit einigen Jahren erfährt auch der Muttermythos eine ideologische Wiederbelebung als Reaktion auf gesellschaftliche Verhältnisse und aufgrund einer Identitätsunsicherheit der Frauen, die ihre mütterliche Position auf dem Sockel und ihre traditionelle weibliche Einflusssphäre behaupten wollen. Aber gerade im Hinblick auf das viel beschworene Kindeswohl scheint es im Gegenteil ratsam, auf eine verklärte und sentimentale Sicht der Mutter und der Mutter-Kind-Beziehung zu verzichten und stattdessen ein realistisches, ganzheitliches Mutterbild und eine «erweiterte Zuständigkeit» für das Wohl von Kindern anzustreben.
Veränderungen beginnen im Kopf – durch neue Wahrnehmungen, Ansichten, Erwartungen. Dieses Kapitel thematisiert die Möglichkeiten und Chancen, die ein Verzicht auf den Muttermythos mit sich bringt,sowie die Widerstände und Hindernisse, die seiner Überwindung im Wege stehen.
6.2.1 Realistisches Mutterbild
Ein Verzicht auf die Idealisierung der Mutter und die Verklärung der Mutter-Kind-Beziehung würde ein realistisches, ganzheitliches Mutterbild ermöglichen, das der Realität von Müttern und Kindern gerechter wird. Die Entmystifizierung der Mutter würde erlauben, angst- und schamfrei festzustellen, dass es in der Beziehung zwischen Mutter und Kind genau die gleiche Palette an möglichen Gefühlen gibt wie in anderen Beziehungen auch: Liebe und Fürsorge wie auch Ablehnung, Aggression und Gleichgültigkeit – jeweils in unterschiedlicher Dosierung, wobei das «Mischungsverhältnis» individuell durchaus entscheidend ist. Es würde die Wahrnehmung möglich machen, dass Mutterliebe im individuellen Fall vorhanden sein kann oder auch nicht, dass sie stark sein kann oder schwach entwickelt oder kaum existent. Es würde nicht vorausgesetzt, dass in jeder Frau eine talentierte, interessierte oder liebevolle Mutter steckt, sondern akzeptiert, dass in jeder «guten Mutter» auch die «Stiefmutter» existiert. Die Eigeninteressen der Mutter am Kind und Aspekte von Aggression, Abneigung und Destruktivität in der Mutter-Kind-Beziehung könnten in ihren verschiedenen Formen wahrgenommen, in das Bild der Mutter integriert und offen diskutiert werden.
Im Licht des Muttermythos ist aber der Anspruch, eine «gute Mutter» zu sein, immer noch so zwingend, dass Frauen diese Aspekte abspalten, verleugnen, verdrängen müssen. Im Sinne einer entspannteren Mutter-Kind-Beziehung wäre es jedoch nützlich damit aufzuhören. Eine «gute Mutter» zu sein bedeutet dann vielleicht, sich auch mit den «stiefmütterlichen», negativen, bedrohlichen, zerstörerischen, mit den unerwünschten Aspekten auseinanderzusetzen, die nicht mit dem gängigen Bild der Mutter vereinbar sind, statt einfach deren Existenz zu verneinen. Das wäre nicht nur wichtig, um die Mütter zu entlasten, sondern auch um die Kinder, wie es unter dem Einfluss des Muttermythos fast zwangsläufig geschieht, nicht unbewusst damit zu belasten. Wir können zu einem realistischen und ganzheitlicheren Bild gelangen, wenn wir die verschiedenen Merkmale und Eigenschaften der Mutter kombinieren: die der «guten» Mutter, die liebevoll und fürsorglich für andere da ist, selbst vielleicht etwas farb- und konturlos ist, und die «schlechte Mutter», die Hexe, die egoistisch ist und
Weitere Kostenlose Bücher