MUH!
diese Schiff gewählte.»
Eigentlich hätte ich jetzt mit einem schönen Tobsuchtsanfall meine Angst völlig verdrängen können, aber ich war viel zu erstaunt, dass mein Verdacht sich bewahrheitet hatte: In mir kämpften Verblüffung und Wut so heftig miteinander, dass ich erst mal gar nichts sagen konnte. Als ich meine Sprache endlich wiedergefunden hatte, stammelte ich nur: «Weso?»
«Ich bin zwar eure Sprache nichte so mächtig, aber ich bin überzeugte, ‹Weso› ist keine echte Wort.»
«Wieshalb?», stammelte ich weiter.
«Wieshalb iste auch keine echte Wort.»
«Wrum?»
«Auch nicht», kommentierte der Kater.
«Du weißt schon, was ich meine!», fluchte ich. Mein Zorn siegte nun über meine Verblüffung.
«Ja, das ich wisse», antwortete der Kater niedergeschlagen und sagte dann: «Ich habe dir doch von meine Frauche erzählte.»
«Die so gerne diese merkwürdigen Pilze aß?»
«Bis die Auge rollte», antwortete Giacomo und ergänzte tieftraurig, «bis sie eines Tages nicht mehr rollte.»
Ich verstand nicht ganz, was er damit meinte, und der Kater begann mir nun von seinem Leben mit dem geliebten Frauchen zu erzählen: Giacomos Frauchen war eine junge, lebenslustige Frau gewesen, und zusammen reisten die beiden um die Welt. Sie beobachteten im Amazonasgebiet die wunderschönsten Vögel (Giacomo aß manchmal auch einige von ihnen), sie tanzten in Haiti mit Voodoopriestern (und steckten aus Gründen, die ich nicht ganz begriff, heiße Nadeln durch Puppen von Frauchens Ex-Liebe), und sie erfuhren in Kolumbien, dass es keine allzu gute Idee ist, dort Leitungswasser zu trinken (jedenfalls nicht, wenn man keine Freude an Kleinstlebewesen im Darmtrakt hatte). Frauchen und Giacomo praktizierten die freie Liebe (nicht miteinander, naturalmente) und erreichten bei ihrer Reise schließlich New York, genauer gesagt einen Stadtteil namens Chinatown. Hier vergnügten sich die beiden mit asiatischen Katzen (Frauchen mochte Weibchen so gerne wie Männchen). Eines Abends bekamen sie von einem Straßenhändler «Pflanzen zum Highwerden» angeboten, «die einst schon die Priester der Shaolin rauchten». Diese Pflanzen hatten es aber in sich. Frauchen wurde im Gesicht ganz grün, ihre Augen rollten, und schließlich krachte sie auf den Boden. Und die Augen rollten ganz und gar nicht mehr.
«War sie …», wollte ich den Kater fragen, doch der fauchte mich an, noch bevor ich das Wort tot aussprechen konnte: «Ich es nicht wisse!»
Dann begann er mit den Tränen zu ringen und gestand, dass er vor lauter Angst, die durch das Rauchen der Pflanzen noch unendlich verstärkt worden war, panisch wegrannte. Bis in den Hafen von New York, wo er sich an Bord eines Schiffes versteckte. Eh er es sich versah, fuhr er mit diesem Schiff Richtung Cuxhaven. Weit weg von seinem Frauchen. In Cuxhaven hatte er auch durch Zufall Old Dog getroffen und ihn gegen sich aufgebracht, indem er zu ihm – unwissend um das Schicksal von dessen Pudeldame Tinka – gesagt hatte: «Du schaue so mürrisch drein, du brauche mal eine Nachte mit eine Frau.»
Der Hund jagte ihn dann einen ganzen Tag lang, bis zu unserem Bauernhof, wo wir den Kater dann beschützten.
Mir war nun klar, was Giacomo in New York vorhatte: «Du willst also nachsehen, ob die Augen deines Frauchens vielleicht doch noch rollen?»
Er nickte, und er weinte, und er hasste sich dabei selbst so sehr.
Wie konnte ich da noch wütend auf ihn sein? Stattdessen sagte ich aufmunternd: «Ihre Augen rollen bestimmt noch.»
«Du glaube das wirklich?», schnäuzte er seinen Rotz ins Fell.
Eine ehrliche Antwort darauf wäre «Ich habe keinen blassen Schimmer» gewesen, aber das hier war nicht der Moment für Ehrlichkeit. Daher lächelte ich: «Das glaub ich nicht, das weiß ich.»
Der Kater wischte sich mit der Pfote eine Träne aus dem Auge. Er hatte wieder etwas Hoffnung geschöpft, und ich wünschte ihm, dass die nicht trog.
In diesem Moment erkannte ich in der Ferne eine große Menschenfrau im Meer stehen, die eine Fackel in der Hand trug. Es handelte sich dabei nicht um eine echte Frau, sie wirkte eher, als sei sie aus Stein. Giacomo bemerkte meine Verwunderung und erklärte: «Das iste die Freiheitsstatue.»
Das Wort Freiheit wühlte mich auf und ließ mein Herz höherschlagen. Dass die Menschen für die Freiheit so etwas Großes errichteten, fand ich toll. Ich malte mir aus, wie großartig es wohl sein mochte, wenn dort nicht eine Menschenfrau aus Stein, sondern eine riesige
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