MUH!
Kuh mit einer Fackel den Weg leuchten würde. Hach, wenn wir Kühe doch in der Lage wären, mehr zu bauen als nur Mist …
Während ich mir die Statue fasziniert ansah, hörte ich hinter mir den dünnen Gesichtsbehaarten sagen: «Die Zollbeamten werden die Kühe nicht ins Land lassen.»
«Klingt nach einschläfern», kommentierte der Dicke traurig, und ich fand, dass einschläfern bei weitem nicht so freundlich klang, wie es das Wort nahelegte. Panik stieg in mir auf, was sollte ich nur tun? Doch da fiel mir gleich im nächsten Augenblick ein, dass ich ja gar nicht mehr die Anführerin der Herde war und dies jetzt Hildes Problem sein würde. Leider beruhigte mich das kein bisschen.
«Keine Sorge», trat der Käpt’n zu seinen Matrosen. «Es gibt kein Problem auf der Welt, das man nicht mit Bestechung lösen kann. Ich habe genug Geld, um die Beamten zu schmieren. Es war eigentlich mal für die Ausbildung meiner Tochter gedacht.»
Die Matrosen schluckten bei dem Gedanken an die verstorbene Tochter des Käpt’n, und ich hätte sicherlich stärker mit ihm empfunden, wenn ich nicht gespürt hätte, dass es hier um unser Leben ging. Der Käpt’n erklärte weiter: «Ich habe auch schon mal abgeklärt, dass die Kühe auf eine dieser Farmen in Iowa kommen, wo die Wagju-Rinder aufwachsen. Das wird für die Kühe ein Paradies werden. Sie werden das beste Leben haben, das nur möglich ist.» Und dann fügte er noch traurig hinzu: «So eines hätte ich auch gerne gehabt.»
Die wehmütigen Augen des Kapt’ns verrieten, dass er es aufrichtig mit uns meinte. Er hatte für uns irgendein fremdes Paradies ausgesucht, und auch wenn es sich dabei nicht um Indien handelte, war ich erleichtert: Paradies war Paradies.
Dumm nur, dass Hilde in diesem Augenblick auf mich zutrat und erklärte: «Sobald das Schiff angelegt hat, rennen wir alle auf mein Kommando davon.»
Noch dümmer war, dass ich gar nicht widersprechen konnte. Denn kaum hatte ich Luft geholt, schnitt sie mir schon das Wort ab: «Da musst du dich dran gewöhnen: Du bist nicht mehr die Anführerin!»
Mit diesen Worten drehte sie sich um und trottete weiter. Und das Dümmste von allem war, dass ich jetzt vor der Wahl stand, entweder alleine ins Paradies zu gehen, das der Käpt’n für uns vorbereitet hatte, oder bei meiner Herde zu bleiben.
Kapitel 41
An Land angekommen, traf der Käpt’n vor dem Schiff zwei streng wirkende Männer, die er US-Zollbeamte nannte und in deren Halftern Dinger steckten, die aussahen wie kleine Knallstäbe. Er übergab diesen grimmigen Kerlen jede Menge grüne Blätter, die alle gleich groß waren und daher unnatürlich wirkten, so als ob sie gar nicht von einem Baum oder einer Pflanze stammten. Die Männer begannen zu lächeln, auf eine gierige Art und Weise, worauf der Käpt’n ihnen gleich noch mehr von den grünen Blättern überreichte. Ich fragte Giacomo, worum es sich dabei handelte, und er erwiderte: «Für die Mensche die Gelde sein wichtiger als Esse, Trinke, Liebe und Geschlechtsverkehre.»
«Warum das?», fragte ich verblüfft.
«Weil die Mensche damit bekomme Esse, Trinke, Liebe und Geschlechtsverkehre.»
«Das klingt nicht sonderlich logisch», merkte ich an.
«Eine logische Mensch, das iste eine Widerspruch in sich», seufzte der Kater.
Der Käpt’n wandte sich nun uns zu. Er wollte gewiss verkünden, dass wir jetzt in Sicherheit waren und er uns in das Paradies führen würde, das er gegenüber den Matrosen erwähnt hatte. Doch dazu kam er nicht, denn Hilde schrie: «LAUFT!»
Sie rannte los. Natürlich gehorchte ihr Radieschen sofort, aber auch Susi und Champion folgten unserer neuen Anführerin auf dem Hufe. Jetzt musste ich meine Wahl treffen: Paradies oder meine Herde. Doch das war keine echte Wahl. Ein Paradies ohne meine Herde … das war kein Paradies. So rannte auch ich los.
Der Käpt’n rief uns verzweifelt hinterher: «Bleibt doch …»
Ich hörte auch noch den dünnen Gesichtsbehaarten sagen: «Jetzt müsste man Cowboy sein, dann könnte man die mit einem Lasso einfangen.»
Der dicke Gesichtsbehaarte antwortete: «Cowboy muss ein noch besserer Beruf sein als Tierpfleger, wenn ich an die Saloons denke, den Whiskey und die Bardamen, vor allen Dingen die Bardamen …»
Wir rannten an Schiffen und Kränen vorbei, aus dem Hafengebiet auf eine Straße heraus, die um so vieles größer war als die, die nach Cuxhaven führte, und auf der gigantische Audoos fuhren. Wir liefen den Seitenstreifen entlang, und
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