MUH!
auch wenn wir alle außer Atem waren, trieb uns Hilde immer weiter an. Sie war eine energische Anführerin, die kein «Ich kann nicht mehr» oder «Meine Hufe qualmen» oder «Ich glaub, ich muss mich gleich übergeben» als Argument für eine Pause akzeptierte. Selbst Champion hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten, und raunte mir zu, während neben uns die riesigen Audoos vorbeisausten: «Ich glaube, ich würde lieber dir folgen als ihr.»
Dabei lächelte er lieb. Vielleicht hätte mich das in diesem Moment sogar erfreut, aber es handelte sich bei ihm ja um Champion, und von daher wusste ich, dass ich nach so einem netten Satz nur bis drei zählen musste, bis er wieder etwas Blödes sagen würde. So begann ich, in Gedanken zu zählen: 1 … 2 … 3 …
«Wenn ich dir folgen würde», lächelte Champion, «könnte ich nämlich deinen süßen Hintern ansehen.»
Hach, er war so berechenbar.
«Ich finde dich nämlich wirklich attraktiv.»
Das war schon wieder etwas Nettes, aber auch diesmal war ich mir sicher: Ich müsste wieder nur bis drei zählen müssen, bis was Dummes kam. 1 … 2 …
«Das liegt vielleicht daran, dass durch die Schwangerschaft deine Euter größer werden.»
Er wurde sogar schneller.
«Mal im Ernst», sagte er nun, und sein Lächeln verschwand aus dem Gesicht, «ich fände es großartig, wenn wir beide irgendwie versuchen würden, uns neu kennenzulernen, wegen des Kalbes, aber auch um unserer selbst willen.»
Das verunsicherte mich total, sollten wir es wirklich noch einmal miteinander versuchen? Anstatt mich damit ernsthaft auseinanderzusetzen, begann ich lieber erneut, in Gedanken zu zählen, denn wenn er gleich wieder etwas Bescheuertes sagen würde, und das würde er garantiert, dann müsste ich auf seinen Vorschlag nicht antworten. 1 … 2 … 3 …
Es kam nichts.
… 4 … 5 … 6 …
Er schwieg, sah mich nur erwartungsvoll an, während wir nebeneinander hertrabten.
… 7 … 8 … 9 …
Ach du meine Güte, immer noch nichts Dummes! Das bedeutete: Ich musste irgendetwas antworten. Doch was? Sollte ich es tatsächlich wagen, mich auf ihn einzulassen? Und Gefahr laufen, wieder von ihm enttäuscht zu werden?
«Das … das darf doch nicht wahr sein!», rief Hilde und blieb mit einem Male abrupt auf dem Seitenstreifen stehen. Während die anderen froh waren zu verschnaufen, war ich glücklich über die Ablenkung und sah in Hildes Richtung: Dort stand ein Gebäude am Rande der Straße, aus dem jede Menge Menschen rein und raus gingen und dabei etwas aßen oder tranken. Über dem Gebäude hing ein riesiges Bild von einem Brötchen, in dem Fleisch steckte, und neben diesem Brötchen war eine riesige, überdreht fröhlich dreinblickende Kuh zu sehen. Ich zählte Kuh und Brötchen zusammen und kam zu dem Ergebnis: «OH NEIN!!»
Wir starrten die Menschen an, die in die Kuhbrötchen bissen. Es war das eine, zu wissen, dass Menschen Kühe futterten, es war was ganz anderes, ihnen dabei zuzusehen. Wir alle hatten den starken Impuls, diese Menschen mit unseren Hörnern aufzuspießen und durch die Gegend zu schleudern, selbst wenn die meisten von ihnen so schwergewichtig waren, dass uns das Schleudern nicht leichtgefallen wäre. Dieser Impuls wurde allerdings von einem noch stärkeren übertroffen, den Radieschen und ich schon in schwächerer Form gehabt hatten, als wir das erste Mal von den Untaten der Menschen gehört hatten: Wir übergaben uns alle vor die Füße der Brötchenesser. Diese reagierten entsprechend angewidert und schrien: «Oh my god!» oder «Oh my shoes!» oder «Oh my, why do I wear sandals?»
Giacomo grinste: «Ich glaube, für die iste das jetzt keine Happy Meal.» Doch schon gleich darauf warnte er uns: «Ihr müsse abhaue!»
«Können vor übergeben», erwiderte Susi, deren Beine zitterten. «Ich kann mich keinen Schritt bewegen.»
«Wenn du nicht gehe, du lande in die Panini.»
«In was?», fragte Susi irritiert.
«Brötche!»
«Ich kann mich doch bewegen!»
So rannte Susi los. Wir anderen schauten noch mal kurz auf die Brötchen, besaßen ebenfalls wenig Neigung, in naher Zukunft mit Zwiebeln belegt zu werden, und liefen ebenfalls davon. Einer der dicken Kuhfresser fluchte noch: «Worst marketing gag ever!» Aber keiner von ihnen verfolgte uns. So unförmig, wie diese dicken Menschen waren, wären sie wohl auch nach wenigen Metern japsend zusammengebrochen.
Wir gelangten zu einer riesigen Brücke, die über einen großen Fluss führte. Auf dieser Brücke
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