MUH!
Chiantiwasser beeinflusst anscheinend das Urteilsvermögen.»
Benommen versuchte ich, mich zu orientieren: Der Zugwagen ratterte laut, und man hörte einen irren Fahrtwind. Dieser rollende Stall bewegte sich schrecklich schnell, womöglich noch schneller als ein Audoo. Wir standen auf hartem Holz, das spärlich mit Stroh bedeckt worden war. Ein bisschen fahles Licht fiel durch kleine vergitterte Fenster, die so weit oben lagen, dass man durch sie nicht aus dem Wagen herausschauen konnte. Als ich dieses schwache Licht sah, wusste ich: Den strahlenden Himmel über der Ponderosa würde ich nie wieder sehen. Und: Wir waren nicht etwa auf dem Weg in ein Paradies, sondern in die Verdammnis.
Cassie, die kleine düstere Wagju, warf mir einen «Was hab ich dir gesagt?»-Blick zu.
Ich antwortete mit einem «Niemand mag Klugscheißer»-Gesicht.
Sie sah mich darauf mit einem «Niemand mag schlechte Verlierer»-Ausdruck an.
Woraufhin ich traurig und laut antwortete: «Wie es aussieht, sind wir alle Verlierer.»
«Dafür habe ich mir nichts vorgemacht», erwiderte Cassie.
«Aber im Gegensatz zu uns hast du dir damit auch noch die letzten Vollmonde auf Erden versaut», hielt ich dagegen. Ihre Besserwisserei ging mir entsetzlich auf die Nerven.
Diese Erkenntnis traf die Kleine. Hart. Traurig blickte sie auf den Boden und stellte fest: «Dann war ich wohl doch nicht so weise, wie ich gedacht habe.»
Das wollte ich nicht bestätigen, hatte plötzlich sogar Mitleid mit ihr, weil sie das ganze Leben lang in Erwartung des Verrats durch die Cowgirls gelebt hatte und dadurch nichts hatte genießen können. Das Wissen um das eigene Schicksal konnte auch ein Fluch sein.
«Ich bin», schnäuzte Cassie, «wohl die dümmste Klugscheißerin der Welt.»
Hilde, die das alles mitbekommen hatte, sah zu der kleinen Wagju. Ich hoffte, sie würde eine nette Bemerkung machen. Aber sie sagte nur zu Cassie: «Heul doch!»
Etwas netter hätte ich es mir dann doch gewünscht.
«Sei lieb zu ihr», schnauzte ich Hilde an. In mir stieg all die Wut auf, die ich in den letzten Vollmonden verdrängt hatte. In meinem Inneren, so stellte ich fest, war ich immer noch sauer, dass sie mir die Führung der Herde abspenstig gemacht hatte.
Hilde sagte zu der Wagju: «Halt die Luft an und zähl bis 400000.»
«Das ist nicht wirklich lieb», schnaubte ich. Ich wurde immer gereizter.
«Und wenn sie nur bis 399999 zählt?», fragte Hilde mit beißender Stimme, während Cassie schon die Tränen über die Wange liefen.
«Kleine Kühe fertigmachen hilft gar nichts, große Anführerin», ranzte ich sie an. «Ohne dich und deine Entscheidungen wären wir doch gar nicht hier!»
Das traf Hilde in ihrer Ehre. Giftig erwiderte sie: «Und wo hättest du uns hingeführt?»
Ich dachte nach: Anstatt nach New York zu gehen, wäre ich bei dem Käpt’n geblieben, und der … hätte uns sofort zu den Cowgirls gegeben. Es wäre also auf das Gleiche herausgekommen, wenn ich die Herde angeführt hätte. Entsprechend betreten blickte ich an meinem dicken, schwangeren Bauch vorbei auf den Boden.
Hilde und ich schwiegen etwas, bis sie etwas versöhnlicher sagte: «Wir sind wohl beide nicht gerade super, wenn’s ums Anführen geht.»
Ich lächelte ihr süßsauer zu: «Nun, es gibt da vermutlich sehr viel Bessere als uns.»
Wir blickten uns um, sahen auf Champion, Susi, Radieschen und auf die ziemlich verstörten Wagjus, woraufhin Hilde feststellte: «Es mag Bessere als uns geben …»
«… aber nicht in diesem Wagen», vollendete ich.
Nun lächelten wir uns beide süßsauer an.
«Friede?», schlug ich ihr vor.
«Wir schaffen das nur, wenn wir beide zusammenhalten», stimmte Hilde mir zu. Zur Bekräftigung stießen wir mit den Hörnern gegeneinander. Für einen kurzen Moment fühlte ich mich gut, schöpfte gar wieder Hoffnung.
Für einen kurzen Moment.
Denn dann sah ich mir wieder die Wände des ratternden Zugwagens an.
«Eine Idee, wie wir hier herauskommen», meinte Hilde, «wäre nicht schlecht.»
«Wenn die Idee etwas taugte, wäre es sogar noch besser», stimmte ich ihr zu.
«Ich habe noch nicht mal eine schlechte», seufzte sie.
«Frag mich mal.»
«Hast du wenigstens eine schlechte?»
«Nein, ich habe keine einzige», gestand ich ein.
Wir schwiegen wieder. Schließlich seufzte ich: «Wenn es Naia wirklich gibt, dann liebt sie uns nicht.»
«Wenn es sie gibt», sagte meine Freundin, «dann findet sie uns sogar richtig scheiße.»
«Na, dann iste es gut,
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