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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
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Dynamik sorgt seit geraumer Zeit dafür, dass Menschen unterschiedlichster Abstammung und Herkunft zusammenleben. Ströme freiwilliger und unfreiwilliger Migranten überziehen die Kontinente und Angehörige verschiedenster Ethnien verteilen sich über den Globus» (Kaeser 2012). Dass es auf der Welt immer irgendwo Migrationen gegeben hat, ist eigentlich banal: Menschen wandern immer dorthin, wo es ihnen vermeintlich oder tatsächlich besser gehen wird.[ 4 ] Da Armut, Klima, Kriege oder Naturkatastrophen sich immer direkt auf die Lebenssituation auswirken, ist Migration letztlich immer in irgendeiner Hinsicht ökonomisch bedingt – alles andere grenzt an Augenwischerei und schafft gefährliche Blinde Flecke.
Europa hat ein Defizit
    Seit der Neuzeit ist Migration eine Konstante in Europa und gehört zum europäischen «Erbe» (Klingholz 2008). Im 21. Jahrhundertbekommt Migration aber eine neue Dimension.[ 5 ] «Globalization has brought a new challenge to Europe: migration. (…) The poor of the world are knocking at the door of the rich. Fortress Europe still stands, but at its borders from the east and the south there is illegal immigration of unknown size.» (Zimmermann 2008) Migration nach Europa wird sich weiter fortsetzen, je weiter sich Europa zusammenschließt, je offener die Grenzen werden und je weiter sich die neue mental map von Europa in den Kaukasus, Richtung Iran, Syrien und Nordafrika erstreckt. Oder je poröser die Grenzen werden, je weiter sie vom Zentrum fortrücken. Denn die Grenzen in Ost und Südost sind Europas neuralgischer Punkt wie auch der Dreh- und Angelpunkt für neue Definitionen in der Zukunft (Tornow 2010).
    Historischer Brennpunkt von Migrationen aller Art in Europa war der Balkan – also jene Region, die auch in der Gegenwart und der Zukunft eine entscheidende Rolle spielt. Die gesamte Geschichte des Balkans war von Anfang an von Migrationen geprägt (Will 2013) und vom Kontakt von Menschen, Sprachen und Kulturen. Sie ist zu großen Teilen eine Migrationsgeschichte, in der sich grenzüberschreitende, religiös motivierte und innere Migrationen unter den Türken ständig überkreuzten (Sundhaußen 2006/7). Musterbeispiele für die überall entstehende Gemengelage von Sprachen und Kulturen sind z.B. die Türken in Bulgarien, die Albaner in Makedonien oder die Ungarn in Rumänien.
    In der Moderne hat Europa ein Defizit an Erfahrung mit und im Management von Migration. Es hat die Lehren der großen Migrations-Player Australien, Israel, Kanada oder USA nicht genutzt, und das trotz der Tatsache, dass sich gesteuerte Migration und intelligente Migrationspolitik summa summarum als Ressource erweisen. Ein Grund für diese Lage könnte sein, dass sich in Europa viele verschiedene Migrationssituationen versammeln: So haben sie in Irland, England, Schweden, Frankreich oder Deutschland ein ganz unterschiedliches Gesicht. Eine fatale Folge der fehlenden Koordination ist, dass die Politik oft der Migration hinterherhinkt und dann später immer gezwungen ist, ständig neu entstehende Verwerfungen notdürftig zu reparieren – was wieder unabsehbare Folgen für die Migranten wie für das Gastland erzeugt.
Migration in Deutschland
    Ein besonderer Fall ist Deutschland, weil das ganze Spielfeld Migration von Vergangenheitsbewältigung, Ideologie und Zeitgeist überwölbt, ja zuweilen regelrecht überschattet ist. Dies ist umso riskanter, als Deutschland das größte Einwanderungsland des Westens nach dem Zweiten Weltkrieg ist. «Germany should be considered the key European country of immigration.» (Bauer et al. 2005, 203) Kein Land hat, absolut wie relativ, mehr Migranten aufgenommen. Im Jahre 2012 lebten im Lande etwa 16 bis 17 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, etwa ein Fünftel der Bevölkerung. Aufgrund der demographischen Entwicklung ist anzunehmen, dass sich dieses Verhältnis in der Zukunft weiter verschieben wird, besonders in der jungen Generation, wo es in den Großstädten schon einem Stand von 1 : 1 nahekommt. Darauf weisen Journalisten und Historiker wie Walter Laqueur, Stefan Luft und Herwig Birg («demographische Zeitenwende») schon seit längerem hin.
    Vierzig Jahre – bis 2001 – hat es gedauert, bis Migration in Deutschland zum ersten Mal zaghaft mit ökonomischen Leitlinien in Verbindung gebracht werden konnte. Dies sind die

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