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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
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den Augen fallen, wenn man hört, dass
    in migrantischen deutschen Jugendslangs Präpositionen oft ganz wegfallen ( ich geh’ Schule );
    in der Umgangssprache der Deutschen gerade die Präpositionen – also Wörter wie an, auf, zu, neben, mit, vor, nach, für – zur Zeit gewaltig durcheinander gehen. Der Deutsche verwechselt sie oft, ist sich nicht mehr vollkommen sicher, welche Präposition passt und mit welchem Kasus sie steht. Heißt es Vertrauen zu meinem Lehrer oder für meinen Lehrer ? Steht jetzt wegen mit Genitiv oder Dativ? Ist die Präposition in wir sagen herzlichen Dank an unseren Lehrer überhaupt am Platz und sollte man nicht dem Lehrer danken? Bastian Sick hat in seinen Bestsellern hierfür unzählige Beispiele angeführt, und man kann sagen: Nie war die Unsicherheit im richtigenGebrauch von Präpositionen bei den Deutschen größer als heute.
    Es gibt also im türkischen Sprachbewusstsein – logischerweise – mit Sicherheit kein Gefühl für Präpositionen, wie sie in den flektierenden Sprachen vorkommen, z.B. in trotz des Regens, mit dem Freund, auf das Fest . Wenn Türken als Sprecher einer präpositionslosen Sprache Deutsch lernen, werden sie auf korrekte Präpositionen und auch die angeschlossenen Fälle nicht besonders achten; wer wollte hier widersprechen? Das Türkische hat dafür aber nachgestellte Wörter, sogenannte Postpositionen , und deshalb mag man ein anderes Gefühl dafür unterstellen. Fatma için ‹für Fatma›; gül gibi ‹wie (eine) Rose›, araba ile ‹mit dem Auto›. Dies gilt für einfache Postpositionen wie auch für aufwendigere wie yağmura rağmen ‹trotz des Regens›, saat beşe doğru ‹gegen fünf Uhr›, Türk Anayasasına göre ‹nach dem türkischen Grundgesetz›.[ 6 ] Man darf hier die einfache Tatsache nicht unter den Tisch kehren, dass Sprachen mit Postpositionen wie eben Türkisch ganz uneuropäisch sind und diese Methode in Europa nur in vergleichsweise exotischen Sprachen wie z.B. Finnisch vorkommt und, zweitens, dass ein so stark abweichendes Sprachgefühl im Sprachkontakt in jedem Falle starke Verwerfungen auslösen muss . Die türkische Spracheinstellung ist auf Präpositionen nicht eingerichtet. In Reinkultur tritt dieses Phänomen im sogenannten Kiezdeutsch auf: lassma treffen Alexanderplatz oder ich geh Schule ahmen das türkische Modell ohne Präposition haargenau nach: okula gidiyorum ‹ich geh Schule›.
Weniger Personalpronomen
    Was für Präpositionen gilt, gilt vielleicht auch für Personalpronomen wie ich, du oder er/sie : Türkisch zählt, wie viele Sprachen im Osten Europas, zu jenen Sprachen, die das Personalpronomen weglassen können, wenn es Subjekt ist (‹Pro-drop-Sprache›). Das Subjekt versteht sich quasi von selbst und die Person wird ohnehin hinten am Verb angezeigt: _ gidiyor um ‹ich gehe›, _ unutt un ‹du hast [es] vergessen›, also nicht: ben gidiyorum ‹ich …› usw. Der Satz leidet überhaupt nicht, und manchmal muss man sogar auslassen, um keine unerwünschten Nebeneffekte zu erzeugen: Denn sen [‹ du ›] unuttun bedeutet eher im Kontrast und betont ‹ DU hast es vergessen [und nicht irgendjemand anders]›. In vielenwestlichen Sprachen ist das nicht möglich. Im Deutschen muss es immer heißen Ich war zuhause ; im Englischen He went to the theater . So will es die Standardnorm.
Der Bau einfacher Sätze: Vom Sein und vom Haben
    Der normale türkische Satz hat die Struktur ‹Subjekt – Objekt – Verb›; das Türkische gehört also zu den sogenannten SOV-Sprachen:
    â€“ John bu kitabı alıyor ‹John – dieses Buch – kauft› = ‹John kauft dieses Buch›.
    Das Deutsche dagegen gehört zu den SVO-Sprachen mit dem Verb an der zweiten Stelle: Michael öffnet das Fenster . Hier sind Türkisch und Deutsch trotz allem noch einigermaßen beieinander. Sobald es im Türkischen aber um SEIN und HABEN geht – zwei zentrale Felder des Satzbaus –, sieht die Sache schon ganz anders aus: Beide Relationen, die so typisch ‹europäisch› sind, haben im türkischen Satz viel weniger Gewicht.
    Wenn das Verb SEIN im Spiele ist ( du bist schön; er ist zuhause; die Äpfel sind saftig ), kommt gleich ein wirklich starker

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