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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
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unterhalt mich meistens mit meinem Bruder Deutsch. Gefrühstückt, Bruder, Deutsch. Mittag gegessen, Bruder, gemischt. Mein Bruder macht was zu essen. Wir sprechen Deutsch. Nach Hause gegangen und Abendbrot gegessen. Vater, Mutter, Geschwister, Jugoslawisch.» (Stölting 1980, 139)
    Frühes CS ist einfaches Switching auf der Satz- und Wortebene:
    â€“ Da ist eine Schießbude. Tamo jeda žena peče i kuha senviče. Eine frkojfer verkauft Bonbone und eine Tafel čokolade . ‹Da ist eine Schießbude. Eine Frau backt da und macht Butterbrote. Ein Verkäufer verkauft Bonbons und eine Tafel Schokolade .›
    Mangelhaftes Deutsch wurde oft stark von Interferenzen aus dem Jugoslavischen geprägt. Was dadurch entsteht, könnte man auch ‹Jugodeutsch› nennen: Bereits in solchen frühen Varianten von Migrantendeutsch werden alte pidginartige Gastarbeiterfehler in ein neues ‹Kreoldeutsch› übernommen und schleifen dort die deutschen Normen. Es erscheinen bereits Schwankungen bei Kasus, Artikel, Präpositionen, Einzahl/Mehrzahl, falsche Wortfolge u.a.m. (Stölting 1980) – also so gut wie alle Faktoren, die später ihre ‹alldeutschen› Wirkungen entfalten werden. Beispiel aus Stölting (1980):
    Mila wohnt in Essen auf dem vierten Stock (na spratu) . Wenn er durch den Fenster ( prozor mask.) guckt, kann er ein kleines Park sehen. Und da in die Park hat (ima) ein Feuermelder. Milan möchte gerne wissen, wie das Feuermelder funktioniert. Wenn (kada) er einmal von der Spiel ( igra fem.) nach hause gekommen ist, dann hat er auf der Straße gesehen, daß da gibt’s (ima) Feuer bei der Nachbarhaus ( kuća fem.). Und dann hat schnell bei (kod) zum Park gelauft und hat die Knopf auf der Feuermelder gedrückt und gesprecht . Eine Stimme hat gesagt: was ist lost ? Dann hat Milan das erzählt und hat gesagt wo befinde’s das. Und dann sie sagt (i onda je ona govorila) . Für fünf Minuten (za pet minuta) wir kommen. Und nachher sind Feuerwehr gekommen und die Feuer ( vatra fem.) gelöscht. Ein Mann von der Feuerwehr bedankt sich ihm (njemu) . Dann wann er nach hause gekommen ist, dann hat er erzählt ihrem Vater was er hat gemacht ( Å¡ta je napravio) .
Zum Codeswitching Jugoslavisch-Deutsch
    Eine ganz neue Qualität hat das Codeswitching in neuen Ethnolekten der entwickelten zweiten und dritten Generation in den 1990er Jahren und um die letzte Jahrhundertwende. Pustički (2011) hat in einer aufwendigen Studie das Codeswitching junger kroatischer Frauen in Frankfurt am Main untersucht. Hier haben wir einen ganz anderen, neuen qualitativen Hintergrund, der das CS als ein Sprachspiel einsetzt, um Selbstbewusstsein, Lebensgefühl und neue Identitäten zu präsentieren. Hier wird auch das alte Gastarbeiterdeutsch mittlerweile als Spott- und Zitatvarietät eingesetzt, sozusagen als ein kurioser Rest aus der Generationenfolge. Entsprechend ist die CS-Analyse überdacht von einem anspruchsvollen theoretischen Überbau, der das CS allgemein würdigt als ein kreatives und kognitiv-kompliziertes Zeichen einer entwickelten und selbstbewussten neuen Vielsprachigkeit. Die defizitäre Attitüde ist hier – wie auch im Türkisch-Deutschen – vollkommen übergegangen in eine neue Sprachform, die die vielsprachige Wirklichkeit europäisch orientierter Generationen widerspiegelt. Deshalb mag auch allmählich der ethnisch-einzelsprachliche Faktor immer mehr in den Hintergrund treten. Wir präsentieren hier die aufgefundenen vier zentralen CS-Typen, die auch repräsentativ sein mögen für entwickeltes CS in jeder anderen Migrantensprache in Deutschland oder anderswo. Nach der Größenordnung haben wir tag-switching, CS im Satzrahmen sowie zwischen Sätzen und ‹Code-Alternation› (Pustički 2011, 70 f):
    â€¹ Tag-switching › ist ein Sprachwechsel, der außerhalb der restlichen Satzstruktur steht. Wir haben hier das schon wiederholt in anderen migrantischen Ethnolekten beobachtete Phänomen des Switching von Rahmensetzern, die oft den Ablauf des Gesprächs selbst betreffen.
    â€“ Und isch meinte so zu ihm, de ovaj , äh isch steh auf, setzen Sie sisch hin, ne, ne, ne ne treba, rekoh . (ovaj entspricht dem deutschen Lückenfüller ähm; rekoh = ‹hab ich gesagt›.)
    Tag-switching, auch: ‹emblematisches Switching›, wird auch von Sprechern mit geringeren

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