Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
Vom Netzwerk:
Kompetenzen verstanden und löst keinen Wechsel der Matrixsprache aus; es ist eine Art Gesprächskolorit und Gruppenzeichen.
    Codeswitching innerhalb des Satzes erfordert ein höheres grammatisches Hintergrundwissen, gefährdet dieses aber auch mehr, eben durch den Vorgang des Switchens. Im Grunde muss man hier wieder nach grammatischen ‹Fehlern› suchen, die sich um die Bruchstellen herum finden.
    â€“ Kinder … aso … voll krass, i niÅ¡ta, mi smo otiÅ¡li to pogledat, in diesem Kasten
    â€¹Kinder … aso … voll krass, und nix, wir sind losgegangen um das zu sehen, in diesem Kasten …›
    Codeswitching zwischen Sätzen tritt normalerweise innerhalb eines Gesprächszuges auf, kann aber auch zwischen solchen eintreten (wie schon am Türkischen beobachtet).
    â€“ Ja ću ustat. Kein Problem . ‹Ich werde aufstehen. Kein Problem.›
    Außerhalb des Satzrahmens ist CS – wie im Russischen auch – im dokumentierten Material eher selten. Dies widerspricht eigentlich der hörbaren Praxis im Jahre 2013, wenn man sich nur in den richtigen Kreisen bewegt und die richtige Methode – keine Vorinformation der Sprecher-Informanten – anwendet. Wir glauben deshalb, dass CS zwischen den Sätzen , also ‹in großen Portionen›, aus eher psychologischen Gründen kaum im Material auftaucht, nichtsdestoweniger aber im Alltag weit verbreitet ist (eben besonders, wenn man ‹unter sich› ist). Auch die eigene Erfahrung kennt genügend Fälle von ‹großem› Codeswitching mit Türkisch, Russisch und Jugoslavisch: Dieses CS wird von zwei Parametern gesteuert und ausgelöst: von den Teilnehmern und ihrer Herkunft bzw. ihren Sprachkenntnissen und dem Gesprächsthema (beruflich/privat etc.).
    Die wenigen Fälle von wirklicher Code-Alternation lohnen nicht, hier aufgeführt zu werden: Beide Sprecher behalten ihre Sprache bei, einer spricht Deutsch, einer Jugoslavisch – insgesamt ein interessanter Fall, in dem eigentlich Codeswitching nur ausder Perspektive von Dritten auftritt (s. Abschnitt 16). Grammatische Fehler werden hier seltener, weil eine ganze Seite der Sprachverarbeitung (Sprechen oder Verstehen) auf eine Sprache fokussiert ist. Code-Alternation ist kognitiv noch ein ganz weißer Fleck auf der linguistischen Landkarte. Wir sind aber überzeugt, dass eine an Code-Alternation gewöhnte Sprachverarbeitung einer flexiblen grammatischen Grundhaltung letztlich ebenfalls zuarbeitet. Es ist eine Sache der Zukunft.
Einige Bemerkungen zu einem ‹Deutschland-Jugoslavisch›
    Wie beim Türkischen und Russischen bereits gesehen, wirkt das Deutsche auf die Migrantensprache in Deutschland ein und schafft eine neue Varietät mit neuen Abweichungen, die wir entsprechend ‹Deutschland-Jugoslavisch› nennen. Hier versammeln sich deutsche Muster, die sich ins Jugoslavische einschleichen. Deutsch-Jugoslaven imitieren besonders gern die deutsche Wortfolge, wie z.B. in
    â€“ Onda je učitelica joj rekla ‹und hat die Lehrerin ihr gesagt›
    vs. echtjugoslavisch: Onda joj je učitelica rekla.
    Auch wird der deutsche Artikel künstlich imitiert ( taj imenik ‹das Telefonbuch›), die Kasus werden verwechselt, es tauchen überflüssige Pronomen als Subjekte auf, Fehler im Verbalaspekt usw. (Schlund 2003). Wir haben vieles auch schon am ‹Deutschland-Russischen› aufgezählt und müssen es hier nicht wiederholen; hier sind eben Russisch und Jugoslavisch als slavische Sprachen des flektierenden Typs eng beieinander. Auch diese Phänomene werden so oder so auf das Deutsche zurückwirken.
    âˆ—
    An dieser Stelle ist dann auch Schluss mit der weiteren Dokumentation: Von albanisch, arabisch oder polnisch inspirierten Sprechweisen ist weder aus Gastarbeiterzeiten noch aus den 1980er oder −90er Jahren oder später irgendetwas dokumentiert (allenfalls vielleicht in unveröffentlichten Seminararbeiten). ‹Albanisch-deutsches Codeswitching› wäre zwar als Begriff nicht geläufig, kommt aber im Alltag sicher genauso vor wie türkisches oder russisches Codeswitching.
20. ‹KIEZDEUTSCH›: DER SLANG JUGENDLICHER MIGRANTEN
    Es mag höchst ehrenwert sein, für sozial benachteiligte Gruppen einzutreten, sie zu fördern oder auch vor den Ungerechtigkeiten und Vorurteilen der Mehrheitsgesellschaft schützen zu wollen. Niemand könnte

Weitere Kostenlose Bücher