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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
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Partnerschaftstest gemacht.›
    Das Modell mit semantisch entleerten Verben wie machen/delat’ scheint im Sprachkontakt sehr produktiv zu sein, vielleicht deswegen, weil es die Sprecher davon freimacht, komplexe Ausdrücke einzeln einüben zu müssen (einen Kurs durchführen , Slavistik studieren , eine Aufgabe erledigen etc.). Das Modell mit machen ist einfacher, spart Energie, Zeit und Frust.
    Nach unserem Eindruck unterscheidet sich das russische Codeswitching von dem der türkischen in-groups auch in der Attitüde. Es verbreitet nicht jenen bemühten Identifikationsdruck, nicht jene Isolationsgebärde ‹ wir sind zwischen zwei Kulturen ›, die im Türkischen häufig in die Nähe einer sozialen Ausweisfunktion, ja einer verbalen identity card kommt und immer gleich das Hybride vergöttert. Das russische CS ist da entspannter, es ist spielerischer, obwohl die grundständigen Funktionen für alles CS sicher auch hier in Kraft sind. Der Hauptunterschied mag der sein, dass sich junge Russen, zumal wenn sie in Deutschland studieren, viel eher und ohne viele Vorbehalte an die Mehrheitsgesellschaft anschließen, sich gut integrieren, ohne ihr aber gleich zu verfallen. Davon zeugt auch ihr CS.
    Festzuhalten ist:
    Phänomene des grammatischen Abbaus im ‹Aussiedlerisch› der russischen Volksdeutschen, im Codeswitching und im ‹Deutschland-Russischen› ähneln jenen, die sich auch in anderen Migrantendeutschs beobachten lassen. Sie strahlen aus auf die deutsche Umgangssprache und finden sich dort wieder.
19. JUGOSLAVISCH-DEUTSCH: KROATISCHE, SERBISCHE UND BOSNISCHE MIGRANTEN
    Nach Türkisch-Deutsch und Russisch-Deutsch (mit den beiden größten Migrantensprachen) wird das Material zu den neuen zweisprachigen migrantendeutschen Sprechweisen deutlich dünner. Schon zu dem Komplex Jugoslavisch-Deutsch , also der Interaktion von Serbisch, Kroatisch, Bosnisch mit dem Deutschen, gibt es kaum mehr lohnende Quellen, obwohl die Praxis im Alltag unverändert stark und Codeswitching mit Sicherheit weit verbreitet ist. Und auch der typische jugoslavische ‹Akzent› ist immer noch fester Bestandteil der akustischen Landschaft in den deutschen Großstädten. Vor dem Hintergrund der Generationenabfolge seit Gastarbeiterzeiten steht jetzt das Codeswitching kroatischer Migrantinnen der zweiten Generation in Frankfurt mit einer beachtlichen Materialfülle im Fokus (Pustički 2011). Im Internet mag man noch auf die eine oder andere Seminararbeit und einschlägige Links stoßen.[ 23 ] Die Materiallage ist also insgesamt nicht mehr sehr erschöpfend. Trotzdem versuchen wir noch, anhand der dokumentierten Texte so etwas wie ein Bild des Jugoslavisch-Deutschen zu entwerfen (auch die eigene Erfahrung nutzend) und mit einer vorsichtigen Analyse zu versehen.
    Dass das Jugoslavisch-Deutsche unter den neuen Migrantendeutschs, zumal in der öffiziösen Linguistik, nicht hervorsticht, hat auch außersprachliche Gründe. Es gab in der jugoslavischen Auslandsgemeinde von Anfang an nicht den andernorts festgestellten Separationsdruck, sondern eine Reihe abmildernder Faktoren. Darunter sind die historischen Beziehungen mit Deutschland, die zivilisatorische und kulturelle Nähe, eine politisch geförderte Anpassungshaltung, eventuell die ethnische Vielfalt in den jugoslavischen Großgruppen (Stölting 1980, 221). Und der ‹jugoslavische Streit› zwischen Kroaten, Serben und Bosniern spielte in Deutschland keine große Rolle. Die Linguistik mag sich von slavischen (Migranten-)sprachen immer noch weiter entfernt halten als vom trendigen Türkischen.
    Die Integration der frühen zweiten Generation jugoslavischer Kinder hatte zuerst einen speziellen Typ des Bilingualismus aufniedrigem Niveau hervorgebracht, der zwischen Zweisprachigkeit, dem Druck der «Germanisierung» (Stölting) und tatsächlicher doppelter Halbsprachigkeit[ 24 ] schwankte, festgestellt für in frühem Alter aus Jugoslavien eingewanderte Schüler der späten 1970er Jahre (Stölting 1980). In der noch rudimentären Zweisprachigkeit der 70er Jahre erfüllte das raue Codeswitching noch die Funktion eines Balance-Aktes, der mangelnde Sprachbeherrschung, Identitätsprobleme und Ambivalenzen in der Integration abpuffern sollte. Verbreitet war Code-Mixing, auch innerhalb von Familien. Ein Kind der zweiten Generation berichtet davon so:
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