Mum@work: Roman
Die Damen hatten aber ihrerseits ihren Deutschkurs ebenfalls verpasst.
Mit den drei Übrigen habe ich einen Termin gemacht. Zum live und in Farbe begutachten. Und von denen ist sicher eine besser als die andere. Ich bin ganz optimistisch.
Ihr schwarzer Mantel reicht fast bis zum Boden, doch darunter sind trotzdem noch die schwarzen Stiefel mit den Stahlnieten zu sehen. Die Haare sind genauso schwarz gefärbt wie die Fingernägel lackiert sind. Natürlich ist das Gesicht völlig bleich, die Augen mit Kajal umrandet -kohlenschwarz. Im linken Nasenflügel steckt ein kleiner schwarzer Stein, aber danach ist es mit »klein« und »diskret« auch schon zu Ende. In der linken Augenbraue, in beiden Ohren und in der Unterlippe hängen Creolen - in ihrer Zunge steckt bestimmt auch irgendetwas. Lieber gar nicht hinsehen und vor allem den Gedanken an den Rest des vermutlich völlig verstümmelten Körpers ganz schnell wieder verdrängen.
Und den Auftritt dieser Satansschwester auch gleich wieder. Unser »Bewerbungsgespräch« war kurz und endete schon vor der Haustür. Sie hieß Svenja, war siebzehn, hatte gerade die Schule geschmissen undheute Morgen die Idee, mit einem Job ein neues Leben anzufangen. Obwohl die Idee wohl eher von ihrer Mutter kam. Svenjas Hobby waren Schwarze Messen auf dem Friedhof, aber bitte nie vor Mitternacht, und ihr größter Traum war es, einmal eine Nacht auf dem Grab von Jim Morisson auf dem Pariser Père-Lachaise zu verbringen. Und wahrscheinlich mal ein paar Kinder dem Satan zu opfern. Aber das hat sie sich nicht getraut zu sagen. Immerhin.
Die nächste Kandidatin schafft es zumindest bis in unser Wohnzimmer. Schließlich ist sie ganz ordentlich angezogen. Vielleicht sogar ein bisschen zu ordentlich.
»Wissen Sie, Disziplin hat wirklich noch keinem Kind geschadet«, sagt die Dame mittleren Alters, als sie sich auf unserem Sofa niederlässt.
»Ja, das stimmt in gewisser Weise.«
»Also, bei mir ist Disziplin überaus wichtig«, sagt sie, ihren Zeigefinger nur mühsam unter Kontrolle haltend. Ich bin mir sicher, dass sie ihn mir am liebsten drohend unter die Nase halten würde. Stattdessen knetet sie mit knöchernen Fingern ihren karierten Faltenrock. Natürlich thront auf ihrem Kopf ein strenger Dutt, sodass das Image von Fräulein Rottenmeier, der fiesen Gouvernante von Heidis Freundin Clara, praktisch perfekt ist. Meine Begeisterung über eine Abwechslung nach der Totengräberin lässt spürbar nach.
»Ja, das deuteten Sie schon an. Und was bedeutet das im Alltag mit den Kindern?«
»Nun, die müssen schon gehorchen, sonst...«
»Sonst?«
»... gibt es natürlich eine Strafe. Anders lernen die Kinder das nicht. Das habe ich in meiner jahrelangen Tätigkeit als Kinderfrau in Singapur gelernt.«
»In Singapur?«
»Ja, ich war dort bei einer deutschen Familie. Aber am Ende wurde die Familie ausgewiesen. Der Junge war aber auch wirklich zu ungezogen.«
»Wie ausgewiesen? Warum ausgewiesen?«
»Aus Singapur. Der Junge ist nur knapp einer Gefängnisstrafe entkommen. Die Familie musste gehen, und deshalb suche ich jetzt eine neue Stelle. Wie ich eventuell schon erwähnt habe, bin ich nämlich diplomierte Erzieherin. Nicht so ein dahergelaufener Babysitter. Ich nehme meine Arbeit sehr ernst.«
»Ja, natürlich. Was hatte der Junge denn gemacht?«
»Welcher Junge?«
»Na, der aus Ihrer Familie in Singapur. Der, der fast ins Gefängnis musste.«
»Der hatte einen Kaugummi auf den Bürgersteig gespuckt. Stellen Sie sich das mal vor! Entsetzlich. Das war natürlich an einem Sonntag. Ich hatte frei. Sonst wäre das gar nicht erst passiert. Aber seine Eltern waren viel zu lasch.«
»Hm.«
»Ich hoffe, Sie sind nicht Anhängerin dieser neumodischen Erziehungsmethoden, bei denen die Gefühle der lieben Kleinen über alles gehen?«
»Also, meine Kinder sind schon kleine Persönlichkeiten.« »Ach, so ist das.«
Der Blick der Super-Nanny verfinstert sich.
»Ich bringe Max und Mareike durchaus Respekt entgegen und erwarte das auch von unserer Kinderfrau.«
Ein durch und durch kluger Satz. Ich bin sehr stolz auf mich.
»Natürlich werde ich Ihre Kinder respektieren«, sagt sie jetzt mit einem versöhnlichen Blick und zupft ihre weiße, zu Beton gestärkte Bluse zurecht.
»Aber gegen so einen kleinen Klaps als Strafmaßnahme haben Sie doch sicher nichts einzuwenden, oder?« »Na ja ...«
»Ich habe es mir schon gedacht. Also, für solche Fälle bietet sich immer noch die
Weitere Kostenlose Bücher